Die Löwin
drängte. Die ältere Frau, ihrer Kleidung nach die Leibmagd ihrer Herrin, hatte die beiden kleinen Mädchen wieder an sich gezogen, als suche sie bei ihren greinenden Schützlingen Trost. Bianca hatte sich bis zu dem Karren zurückgezogen, bei dem auch die beiden jungen Männer standen, die ihre jüngeren Brüder sein mussten. Deren Gesichter verrieten so viel Angst, als ständen sie bereits vor den Pforten der Hölle. Auch der Knecht sah aus, als erwarte er, Caterina würde jeden Augenblick sein Todesurteil aussprechen, und der lange Mönch stand mit tief gesenktem Kopf und gefalteten Händen im Hintergrund, als würde er am liebsten im Erdboden versinken.
Caterina focht einen kurzen Kampf mit sich aus, hieb dann mit der rechten Hand durch die Luft und winkte Bianca zu sich. »Du warst die Bettmagd meines Vaters?« Der Ton hätte nicht beleidigender sein können.
Der jungen Italienerin stiegen Tränen in die Augen, als sie nickte. »Si, Signorina, so sagt man wohl bei Euch dazu.«
»Wie kam es dazu?«
Bianca hob in einer hilflosen Bewegung die Hände. »Mein Vater war ein kleiner Adeliger in Arcevia. Seine Feinde beschuldigten ihn, ein Verräter zu sein, und ließen ihm den Kopf abschlagen. Meine Mama war schon tot, und so blieb mir nichts anderes übrig, als mit meinen beiden Brüdern und zwei getreuen Bediensteten« – ihr Blick streifte dabei den Knecht und die Magd – »zu fliehen, um der Rache unserer Feinde zu entgehen. Der Capitano fand uns am nächsten Tag auf der Straße und nahm uns mit. Das war vor sechs Jahren.«
Bianca konnte damals kaum älter als siebzehn gewesen sein, dachte Caterina und spürte wider Willen Anerkennung für den Mut und die Umsicht, mit der die junge Frau sich und ihre Geschwister und bei der zweiten Flucht auch ihre beiden Kinder gerettet hatte. Das Alter des größeren Mädchens verriet ihr, dass ihr Vater nicht lange gewartet haben konnte, um die hübsche Italienerin in sein Bett zu holen. Für Caterina war es eine herbe Enttäuschung zu sehen, dass der Mann, den sie aus der Entfernung beinahe wie einen Heiligen verehrt hatte, nicht anders gewesen war als andere Männer auch.
Sie seufzte und wies dann ins Innere des Lagers. »Bis ich endgültig über euch entscheide, könnt ihr erst einmal hier bleiben, einschließlich eures Gesindes und eures Beichtvaters.«
»Der fromme Mann ist nicht mein Beichtvater. Er ist ein Mönch aus Germania, auf den wir unterwegs gestoßen sind. Da er zu dem Capitano wollte, haben wir ihn mitgenommen. Er hat bittere Tränen geweint, als er vom Tod des guten Monte Elde hörte.«
»Ein Freund meines Vaters?« Caterina ging auf den Mönch zu, dessen Kutte für seine hünenhafte Gestalt viel zu klein war und bereits an den Waden endete.
Der Mann drehte seinen Kopf weg, hielt ihn noch tiefer und verkrampfte die Hände zu einem stummen, aber offensichtlich verzweifelten Gebet.
Irgendwie kam der Mann Caterina bekannt vor, und so riss sie ihm mit einem schnellen Griff die Kapuze herab. »Botho Trefflich! Dich hat wahrlich der Teufel geschickt!«
Botho zuckte unter dem Hass zusammen, der in ihren Worten schwang, krümmte sich sichtlich und ließ seinen Blick wie Hilfe suchend über die Söldner wandern. Deren Mienen verrieten ihm, dass die Männer bereit waren, jeden Befehl ihrer Herrin sofort auszuführen, und er erinnerte sich nur allzu gut an die Berichte über die Grausamkeiten, die von solchen Leute verübt wurden.
Mit einem Aufschrei warf er sich vor Caterina zu Boden und umfasste ihre Knie. »Ich weiß, dass Ihr zornig auf mich seid, und das ist auch Euer gutes Recht! Doch es war nur der Wille meines Vaters! Er hat Euch erpressen wollen, Euch mit mir zu vermählen, und mich gezwungen, bei dem bösen Spiel mitzumachen. Er war es auch, der mich hinter Euch hergeschickt hat, um mit Eurem Vater zu reden, damit er der Heirat zustimmt. Meine eigenen Knechte haben mich jedoch unterwegs niedergeschlagen, ausgeraubt und für tot liegen gelassen. Brave Leute haben mich gefunden und gesund gepflegt. Sie waren aber zu arm, um mich mit mehr als ihren guten Wünschen ziehen lassen zu können. Ein Priester gab mir dieses Gewand und den Rat, den Wegen der frommen Pilger nach Rom zu folgen.«
»Es wäre besser gewesen, du hättest dich daran gehalten«, schnitt Caterina seinen Wortschwall ab.
»Ja, aber ich will doch kein Mönch werden! Würde ich in dieser Kleidung nach Rom pilgern, müsste ich mir unterwegs eine Tonsur schneiden lassen und wäre vor
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