Die Löwin
paar Schwaben, von denen einige aus Eldenberg stammten und in Caterina nicht nur ihre Herrin, sondern auch ein Symbol ihrer Heimat sahen, schimpften ihn nun lautstark einen Betrüger und ehrlosen Schuft. Er versuchte, sie niederzureden, um das Blatt noch einmal zu wenden, und das wäre ihm vielleicht auch gelungen, wenn es nur um Caterina gegangen wäre. Doch die Männer starrten auf die weinende Bianca und deren Töchter, die sich grau vor Schwäche an ihre Mutter klammerten, und legten ihre Fäuste auf die Knäufe ihrer Schwerter und Dolche. Nur wenige der verbliebenen italienischen Offiziere und einige Söldner, die nicht unter einer Frau dienen wollten, sammelten sich um Borelli.
Der Flame de Lisse war schon auf halbem Weg, sich ebenfalls dem Neffen des ermordeten Capitano anzuschließen, als er mit einem klangvollen Fluch in seiner Muttersprache umkehrte, zu Steifnacken trat und auf den Boden spuckte. »Mir passt es zwar nicht, unter einem Weiberrock als Fahne zu dienen, aber ehe ich mich einem ehrlosen Wicht wie Borelli anschließe, sehe ich lieber zu, wie sich die deutsche Jungfer als Capitana macht.«
Steifnacken nickte ihm dankbar zu, wenngleich ihm der Schrecken ins Gesicht geschrieben stand. Nachdem Lanzelotto Aniballi mit seinen Freunden desertiert war, würde der sich abzeichnende Verlust weiterer Offiziere die Kompanie beinahe aller Anführer berauben, und es war fraglich, ob die Truppe noch halbwegs kampftauglich zu halten war, denn Offiziere wuchsen nicht auf der Straße.
Auch Rodolfo begriff, dass der Streit die gefürchtete Eiserne Kompanie praktisch enthauptet hatte. In diesem führerlosen Zustand stellte sie keine Gefahr mehr für die Pläne des Herzogs von Mailand dar, und wie es aussah, würden die Söldner über kurz oder lang auseinander laufen und sich neue Herren suchen. Sollte es Caterina di Monte Elde jedoch wider Erwarten gelingen, die Truppe zusammenzuhalten, konnte sie nichts anderes damit anfangen, als sie an einen Condottiere zu verkaufen oder zu vermieten. Wahrscheinlich würde sie sich in Giustomina häuslich einrichten oder gleich in ihr kaltes Heimatland zurückkehren, in dem sie nach Rodolfos Ansicht weitaus besser aufgehoben war.
Er hörte interessiert zu, wie Borelli versuchte, einen Teil der Söldner dazu zu bewegen, mit ihm zu kommen. Wenn es ihm gelang, die meisten mitzunehmen, könnte er eine neue Compagnia schaffen, an der der Herzog von Mailand durchaus Interesse haben würde. Doch es lösten sich nur eine Hand voll Männer aus der versammelten Schar und traten unter den Missfallensrufen ihrer Kameraden neben ihn. Zu den Offizieren, die sich ebenfalls auf seine Seite gestellt hatten, zählten der Quartier- und der Zahlmeister.
Diese mussten ihre Sachen unter den wachsamen Augen mehrerer Söldner packen, welche Steifnacken abgestellt hatte, darauf zu achten, dass keiner von den beiden noch schnell in die ihnen bisher anvertrauten Kassen griff. Als die Gruppe der Abtrünnigen wieder beisammen war, zog Borelli mit ihnen unter lauten Verwünschungen und der Drohung ab, Caterina dies alles heimzuzahlen. Sein Traum, eine bedeutende Stellung in Gian Galeazzo Viscontis Reich einnehmen zu können, war zunächst einmal verweht wie Frühdunst im Wind.
Auch Rodolfo sah nun keinen Anlass mehr, noch länger zu verweilen. Er holte sein Gepäck, sattelte sein Pferd und verließ unbeobachtet das Lager. Dabei konnte er sich ein boshaftes Grinsen nicht verkneifen, denn er vergönnte dieser neunmalklugen deutschen Jungfer die schwierige Lage, in die sie geraten war. Warum hatte sie ihn heute Morgen auch so behandeln müssen, als sei er nur ein dummer kleiner Junge! Auf seinem weiteren Weg stahl sich das zwar nicht sehr schöne, aber ebenmäßige Gesicht der jungen Deutschen öfter in seine Gedanken, als ihm lieb war. Das schob er schließlich auf die Tatsache, dass es sich bei Caterina um die Enkelin seines Auftraggebers Olivaldi handelte, dem er bald Rede und Antwort zu stehen hatte.
11.
A ls Borelli mit seinen Freunden das Lager verlassen hatte, herrschte zunächst einmal lähmende Stille. Noch begriffen die meisten Söldner nicht die Folgen des Streits, und die, die so weit vorausdachten, schüttelte es bei dem Gedanken an eine alles andere als rosige Zukunft.
Caterina hatte ihren Vetter mit zusammengekniffenen Lippen scheiden sehen, wandte sich aber, als dessen Trupp in der Ferne verschwunden war, mit einer heftigen Bewegung ab und musterte die Gruppe, die sich um Bianca
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