Die Löwin
einzeln stehende Walnussbäume einen Hügel, und an einer Stelle, an der ein Hang steil in die Höhe strebte, waren kleine Terrassenfelder angelegt worden. Hier wohnt ein arbeitsames Völkchen, dachte Caterina, das sich gewiss nicht nach Krieg sehnt oder gar nach Söldnern, die wie Heuschrecken in ihr Land einfallen und es verheeren.
Als sie wenig später an einem Weingarten vorbeiritten, dessen Rebstöcke dunkle, reife Trauben trugen, bückte Caterina sich vom Sattel nieder und pflückte eine Rebe. Noch während sie die erste Traube abzupfte und sich in den Mund steckte, dachte sie daran, dass sie eben nicht besser gehandelt hatte als ein Dieb. Sie wollte die Trauben bereits fallen lassen, als ihr einfiel, dass sie damit noch schändlicher handeln würde. Nur ein gottloser Mensch pflückte Obst, um es dann in den Staub zu werfen. Daher aß sie die Trauben, die zwar süß und saftig waren, ihr aber seltsam schal schmeckten.
5.
R odolfo hatte Flüche oder sogar einen Tadel erwartet, doch Olivaldi nahm die Nachricht von dem Fehlschlag in Pisa mit unbewegter Miene hin und wechselte ansatzlos das Thema. »Attendolo hat eine Condotta mit Perugia abgeschlossen!«
Es dauerte einen Augenblick, bis Rodolfo diesem Gedankensprung folgen konnte. »Es ist Euch und Herzog Gian Galeazzo also nicht gelungen, ihn für unsere Sache zu gewinnen.«
Ein einzelner Muskel regte sich im starren Gesicht des Marchese. »Ich hatte gehofft, er würde in meine Dienste treten, aber er hat mir durch meinen Emissär ausrichten lassen, für einen jungen und noch unerprobten Condottiere sei es ruhmvoller, sich der schwächeren Seite anzuschließen, als einer von vielen unter dem Kommando eines Capitano-General zu werden.«
»Der Mann ist verdammt ehrgeizig.« Rodolfo wusste nicht, ob er über Sforza Attendolo den Kopf schütteln oder ihn bewundern sollte. Dieser hatte sich bereits als Unteranführer des legendären Alberico di Barbitano einen guten Ruf als Condottiere erworben und stellte nun einen nicht zu unterschätzenden Faktor im fragilen Spiel um die Macht in Italien dar. Die Tatsache, dass er das gut dotierte Angebot Gian Galeazzo Viscontis abgelehnt und sich Perugia angeschlossen hatte, sprach zusätzlich noch für ein gesundes Selbstvertrauen.
»Jeder Mann ist ehrgeizig, sogar Ihr, d’Abbati, auch wenn Ihr so tut, als könne Euch nichts berühren. Wenn dieser Krieg zu Ende ist, werdet Ihr Euch möglicherweise sogar einen Namen gemacht haben und eine bedeutende Stellung einnehmen. Muzio Attendolo hingegen mag es einmal bedauern, sich gegen Mailand gestellt zu haben. Er wäre noch weit gefährlicher, hätte Perugia sich der Allianz Eures Onkels Molterossa angeschlossen. Zum Glück ist es Biordio Michelotti zuwider, einem anderen als sich selbst gehorchen zu müssen, und daher wird Attendolos Kompanie brav in Perugia bleiben, während unsere Condottieri die Nachbarstädte erobern.« Olivaldi klang zufrieden.
Die Pläne des Herzogs von Mailand scheinen trotz kleiner Fehlschläge wie mit der Eisernen Kompanie Monte Eldes oder mit Attendolos Entscheidung für eine feindliche Stadt gut zu gedeihen, dachte Rodolfo, und da er glaubte, der Marchese erwarte eine Antwort, bog er seine Lippen zu einem sanften Lächeln. »Wäre ich so ehrgeizig, wie Ihr meint, wäre ich bei meinem Onkel geblieben, um einmal sein Land und seinen Titel zu erben. Stattdessen habe ich beides fast kampflos meinem Vetter Amadeo überlassen.«
»Haltet mich nicht für einen Narren, d’Abbati. Wärt Ihr wirklich der lächerliche Geck, für den die Welt Euch halten soll, hättet Ihr den Titel, den Euer Onkel, der Kardinal d’Abbati, Euch beschafft hat, in der von ihm gedachten Weise genützt, anstatt eine Handvoll Söldner um Euch zu sammeln und Euch als Condottiere zu verkaufen.«
Diese Bemerkung verblüffte Rodolfo so, dass er keine Antwort fand. Olivaldi lachte leise auf. »Oder stimmt es nicht, dass der Kardinal Euch den Titel nur deshalb verschafft hat, damit Ihr die mit Juwelen behangene Erbtochter irgendeines reichen Kaufmanns erfreuen könnt? Wie ich hörte, gab es eine Reihe hoffnungsvoller Väter, die bereit gewesen wären, Euch als Eidam an ihr Herz zu drücken und Euch zu ihrem einzigen Kind in das gemachte Brautbett zu legen.«
Für einen Augenblick wurde der Marchese Rodolfo unheimlich, er schien über alles Bescheid zu wissen, was in Italien vorging, darunter auch so persönliche Dinge wie den Versuch seines purpurgewandeten Verwandten, sich seiner
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