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Die Löwin

Die Löwin

Titel: Die Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Verantwortung für ihn mit einem Bogen Pergament zu entledigen, auch wenn dieses einen Adelsbrief enthielt.
    »Warum habt Ihr es nicht getan, d’Abbati? Es wäre gewiss leichter gewesen, reich zu heiraten, als Soldat zu spielen«, fragte der Marchese mit einem gewissen Spott.
    »Weil ich das, was ich einmal erreichen will, aus eigener Kraft anstrebe! Ich will nicht nur der Neffe oder Eidam alter Männer sein, denen das Feuer der Jugend vor so langer Zeit abhanden gekommen ist, dass sie nicht einmal mehr wissen, wie es in einem brennt«, brach es aus Rodolfo heraus.
    Das Lächeln auf Olivaldis Lippen vertiefte sich noch. »Ihr werdet noch lernen müssen, dass eine helfende Hand zur rechten Zeit einen Mann weiterbringt als verwegener Mut, mein junger Freund. Doch jetzt genug geschwatzt. Da ich Euch im Augenblick nicht mehr benötige, werdet Ihr zu Euren Männern zurückkehren und Euch Malatestas Trupp anschließen.«
    »Meint Ihr Ugolino Malatesta?« Rodolfo glaubte sich verhört zu haben. Er hatte ja nicht erwartet, von Olivaldi zum Capitano-General seiner Truppen ernannt zu werden, doch so einfach zu einem anderen Condottiere abgeschoben zu werden kränkte ihn, insbesondere, da es sich um das Großmaul handelte, mit dem er in Pisa aneinander geraten war. Er versuchte, den Marchese von dieser Entscheidung abzubringen, doch Olivaldi ließ sich auf keine Diskussion ein.
    »Es ist beschlossen! Unter Ugolino Malatesta könnt Ihr ersten Kriegsruhm erwerben, denn seine Kompanie wird bald in die Romagna vorstoßen. Ihr werdet ihm in allem gehorchen, verstanden?«
    »Wenn es Euer Wille ist, soll es geschehen!« Rodolfo erstickte beinahe an diesen Worten, doch er hatte keine Wahl.
    Olivaldi nickte kurz, als wolle er seinen Entschluss noch einmal bekräftigen, und wies dann auf mehrere gesiegelte Briefe, die auf einem kleinen Tisch aus hellem, wohlriechendem Holz lagen. »Da liegen die Befehle für Malatesta. Ein Bote aus Mailand hat sie gestern gebracht. Ihr werdet innerhalb einer Woche aufbrechen und auf genau bestimmten Wegen in die Romagna eindringen. Ängstigt die Leute, aber lasst Euch auf keine Schlacht oder Belagerung ein, denn Euer Ziel steht bereits fest.«
    »Darf ich erfahren, um welches Ziel es sich handelt, oder ist diese Information allein Malatesta vorbehalten?« Rodolfo gab sich nicht die Mühe, besonders höflich zu sein.
    Der Marchese blickte ihn mit der Zufriedenheit eines Mannes an, dem es gelungen war, sein Gegenüber aus der Reserve zu locken. Noch wusste er mit dem jungen Mann nicht allzu viel anzufangen. Er hatte ihn nicht in seine Dienste genommen, weil er an die Fähigkeiten des noch unerprobten Condottiere glaubte, sondern um dessen Onkel Molterossa einen Tort anzutun. Den Worten nach, die Rodolfo bislang geäußert hatte, schienen seine Treue und seine Loyalität mehr Gian Galeazzo Visconti zu gehören als ihm selbst – oder besser gesagt der Idee eines geeinten Italien unter der Herrschaft des Mailänder Herzogs. Olivaldi war Realist genug, um zu wissen, dass dieses Ziel unerreichbar war. Im besten Fall würde Mailand den Norden Italiens dominieren, aber niemals beherrschen. Dafür sorgten schon die Regenten der vielen kleinen Städte und Fürstentümer, die sich Gian Galeazzo angeschlossen hatten, um wenigstens nominell ihre Unabhängigkeit zu bewahren, und auch jene Kräfte, die bislang ein fragiles Gleichgewicht in Italien aufrechterhalten hatten.
    Olivaldi kannte Rom gut genug, um zu wissen, dass selbst eine ganze Reihe schlechter Päpste es nicht fertig bringen würde, das Machtgefüge der heiligen Stadt zu erschüttern und sie zur leichten Beute eines Eroberers werden zu lassen. Gian Galeazzo Visconti vermochte vielleicht einen Teil der Gebiete abzutrennen, auf die der Heilige Stuhl ein Anrecht zu haben glaubte, mehr aber auch nicht. Denn wenn es hart auf hart kam, würden die außeritalienischen Mächte wie Frankreich, Aragon oder das Deutsche Reich dafür sorgen, dass die Bäume des Herzogs von Mailand nicht in den Himmel wuchsen. Auch Venedig, dieser in seiner Lagune schlummernde Markuslöwe, in dessen Schatztruhen mehr Gold ruhte als im übrigen Italien zusammen, würde da noch ein Wort mitzureden haben. Ein starker Visconti-Staat konnte nur im Bündnis mit dieser Seemacht entstehen, nicht aber gegen sie.
    Rodolfos Stiefelsohlen scharrten auf dem Marmorfußboden und machten Olivaldi klar, dass er seine Gedanken zu weit hatte schweifen lassen. Er blickte auf die Briefe und lächelte

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