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Die Loge der Nacht

Die Loge der Nacht

Titel: Die Loge der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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die Freundlichkeit des Händlers das Zutrauen fassen, das es brauchte, um frei von der Leber weg zu erzählen, was ihm im Verlauf der letz -ten Stunden an Absonderlichem und auch Gespenstischem begegnet war. Zwischendurch machte er kurze Pausen, um einen Happen zu essen, und Belier wartete jedesmal geduldig, bis sein Gast von sich aus fortfuhr.
    Außer dem Diener, der das späte Mahl gebracht hatte, leistete ihnen niemand Gesellschaft. Beliers Frau ließ sich nicht blicken. Sie mochte bereits zu Bett oder außer Haus gegangen sein.
    Bei der Schilderung der Kokons und häßlichen Spinnen in Gmel-ins Apotheke zuckte es mehrfach um Beliers Mundwinkel, und als die Sprache auf den Schmied und den Färber kam, schüttelte er entrüstet den Kopf.
    Als Tobias seinen Bericht abgeschlossen hatte, stellte er auch sein Essen ein. Angespannt wartete er auf eine eindeutige Stellungnahme des Händlers, der trotz der äußeren Zeichen des Siechtums noch alle Sinne beisammen zu haben schien.
    Belier löste schließlich die ineineinandergefalteten Hände (Hände! Tobias ertappte sich dabei, wie er Beliers Hände mit der Hand von Auer verglich - aber es gab keinerlei Ähnlichkeit, dem Herrgott im Himmel sei Dank!) und legte sie auf die Lehnen seines Stuhls, der über keinerlei Polsterung verfügte.
    »Dir braucht nicht bang' zu sein«, bewies er jenes Einfühlungsvermögen, das Tobias sich erhofft hatte, dessen er aber keineswegs hatte sicher sein dürfen. »Ich glaube dir. Ich glaube dir alles! Vielleicht überrascht es dich, wenn ich dir sage, daß ich mich selbst als Opfer jener Mächte sehe, die hier in Heidelberg ihr Unwesen treiben. Aber es stimmt. Du kennst mich. Bis vor kurzem war ich alt, aber noch sehr rüstig. Über Nacht hat man mir meine Zukunft gestohlen! Über Nacht bin ich um Jahre gealtert ...!«
    »Ihr seid nicht krank?«
    »Krank?« Alle Bitterkeit, die sich seit langem in Belier angesammelt zu haben schien, entlud sich in diesem einen Wort. »Meine Krankheit ist ein Dämon, dessen Namen ich nicht kenne, sonst hätte ich mich längst mit einem anderen verbündet, um ihm den Garaus zu machen!«
    Belier echauffierte sich so stark, daß seine immer lauter gewordene Stimme in einem lang anhaltenden Husten endete, das ihn mit jeder Erschütterung tiefer in den Sitz preßte.
    Tobias haderte erneut mit sich, ob er diesem Mann überhaupt noch ein zusätzliches, fremdes Gewicht aufbürden durfte.
    Doch Belier fing sich wieder. Überraschend hieb er mit der Faust auf die Stuhllehne und rief: »Ich kümmere mich um das, was du entdeckt hast - und wenn es das letzte ist, wofür ich meinen Einfluß in die Waagschale werfe, das verspreche ich dir! - Und wer weiß: Vielleicht ist der Dämon, der in Auer und Henninger gefahren ist, ja identisch mit dem, der mir ans Leder will? Vielleicht ist doch noch nicht Hopfen und Malz verloren. Ich sprech' noch heute Nacht mit dem Schöffen! Du bleibst derweil hier. Ich laß' dich nicht zurück in die unbekannte Gefahr - auch wenn ich außerstande bin, dir Sicherheit für Leib und Leben zu garantieren. Du brauchst nur mich anzusehen, dann weißt du, daß nicht einmal ich selbst im eig'nen Haus vor Feinden solcher Unnatur gefeit bin .«
    Tobias bedankte sich.
    Als der Tuchhändler seinem Diener auftrug, dem Gast ein Zimmer und ein Bett herzurichten, konnte er es noch gar nicht richtig glauben, daß Belier ihm geglaubt hatte. Gleichzeitig forderte die Anstrengung des Tages endgültig ihren Tribut. Nach der Erleichterung, die Beliers Reaktion in ihm bewirkte, fielen Tobias fast schon im Sitzen die Augen zu.
    Der alt und grau gewordene Kaufmann zeigte auch dafür alles Verständnis und schickte Tobias dem Diener gleich hinterher.
    »Ich kümmere mich um alles!« rief er ihm noch einmal hinterher. »Vielleicht weiß ich morgen, wenn du aufgestanden bist, schon mehr!«
    Tobias erfaßte kaum noch den Sinn der Worte. Wie in Trance folgte er dem Diener, und kurz darauf fiel er wie ein Toter in die Kissen.
    Die Fäulnis, die er am nächsten Morgen im Mund schmeckte, war ihm schon vertraut .
    *
    »Nichts!« In Beliers Stimme schwang nicht einmal der Hauch eines Vorwurfs, auch nicht, als er fortfuhr: »Man hat im Haus des Apothekers weder absonderliche Spinnen gefunden noch Hüllen wie jene, die du mir beschrieben hast! Die Büttel haben noch in der Nacht mit Fackeln alles auf den Kopf gestellt .«
    Tobias schluckte hart.
    Belier hatte ihn zum Frühstück rufen lassen und saß ihm in einem seidig

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