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Die Loge der Nacht

Die Loge der Nacht

Titel: Die Loge der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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grundlos.
    Kurz darauf wurde eine Klappe in Augenhöhe von innen aufgemacht, und eine mißtrauische Stimme fragte: »Wer da? Zu wem wollt Ihr und in welcher Sache?«
    »Hier steht Tobias Stifter! Bitte laßt mich ein! Ich werde verfolgt!«
    Ehe Tobias präziser werden konnte, wurde die Klappe zugeschlagen. Doch statt daß nun die Tür geöffnet wurde, entfernten sich die Schritte des Dieners dahinter.
    Bis .
    Helft mir! Laßt mich nicht hier draußen steh'n!!!
    ... Tobias' lautloses Flehen sie wieder zurückholte.
    Letztlich war es dem bibbernd in die Dunkelheit Verstoßenen gleichgültig, was Beliers Türwächter wirklich dazu bewogen hatte, ihm nun doch Zutritt zu gewähren. Jedenfalls nahm Tobias das An-gebot fast närrisch vor Glück an. Schnell tauchte er in das Licht einer Lampe, die auf einem nur kniehohen Schränkchen abgestellt war.
    Schon einmal hatte Belier ihn in seiner Wohnung empfangen, deshalb war Tobias auf die Flut von Gemälden und Spiegeln an allen Wänden vorbereitet. Das Mobiliar sämtlicher Räume, die Tobias bei dieser Gelegenheit betreten hatte, wirkte dagegen fast geizig verteilt. Der Tuchhändler umgab sich offenbar vornehmlich mit Gegenständen, die dem Auge gefielen, nicht dem puren Zweck.
    »Verfolgt?« fragte der Diener, der erst jetzt ins Sichtbare rückte und die Lampe aufnahm. Tobias überragte ihn um Haupteslänge, aber ein Gefühl der Überlegenheit kam dadurch nicht in ihm auf. Eigentlich kamen dem Bediensteten Beliers gegenüber überhaupt keine Gefühle auf. Er hatte keine Ecken und Kanten, nichts, woran ein Gedanke verweilen wollte.
    »Kann ich das dem Herrn des Hauses selbst erklären?«
    »Mein Herr fühlt sich nicht sehr wohl. Vielleicht kann seine Frau ...?«
    In diesem Moment rief jemand aus einem der höhergelegenen Stockwerke herab: »Was geht da unten vor?«
    An der Stimme erkannte Tobias sofort zweifelsfrei, daß es sich bei dem Rufer um Belier selbst handelte, wenngleich er die Klangfarbe des Organs markiger in Erinnerung hatte. Dennoch packte er ohne Zögern die unverhoffte Gelegenheit beim Schopf, und ehe der Diener vielleicht doch noch auf den Gedanken kam, ihn wieder vor die Tür zu setzen, rief er, die Hände vor dem Mund zu einem Trichter geformt nach oben: »Der Tobias Stifter ist hier! Ich bitte die späte Störung zu entschuldigen, aber -«
    »Führ ihn herauf!« schnürte Belier ihm ohne Fisimatenten das Wort ab.
    Der Diener gehorchte ohne erkennbare innere Anteilnahme.
    Kurz darauf saß Tobias dem vom Tode gezeichneten Tuchhändler auf einem harten Stuhl vor einem Kamin gegenüber.
    *
    Belier war nur noch Haut und Knochen. All sein Reichtum nützte ihm nichts gegen den Feind, der sich in seinem Körper eingenistet hatte. Der Feind namens Krankheit, der Feind namens Tod .
    Tobias erinnerte sich nicht, den Tuchhändler bei ihrer ersten und auf lange Zeit auch einzigen Begegnung so eingehend gemustert zu haben wie heute. Es erfüllte ihn mit einem Übermaß an Trauer, den Kaufmann, über den er noch nie ein schlechtes Wort gehört hatte, so dem Verfall anheimgefallen vor sich zu sehen. Angesichts dieser Tragödie schien ihm das eigene Los und die Mysterien, mit denen er konfrontiert worden war, fast zweitrangig.
    »Vielleicht sollte ich ein anderes Mal wiederkommen«, murmelte Tobias und wich dem unbestechlichen Blick Beliers aus.
    »Ich hörte, daß du von Verfolgung sprachst«, erwiderte der Tuchhändler, dessen bleiches Gesicht von Flecken durchsetzt war. Ihre Ursache kannte Tobias nicht. Er war nur froh, daß es keine Beulen waren. Keine eiternden Geschwüre .
    Der Zeitungssinger, der die Kunde von Spees Ende in Heidelberg verbreitet hatte, hatte auch Niederschmetterndes vom Wüten der Furie Pest zu berichten gewußt. Und nirgends zeichnete sich ein Müdewerden des gnadenlosen Schnitters mit der scharfen Sense ab.
    »Wer verfolgt dich - und warum? Hast du etwas angestellt?«
    Beliers Stimme rettete Tobias vor dem bodenlosen Abgrund, in den sein Bewußtsein zu kippen drohte. Der Tag war einfach zuviel für ihn gewesen. Er war schon ermattet aufgestanden, aber die danach folgenden Ereignisse hatten noch mehr an ihm gezehrt, als er sich bei seinem Aufbruch zum Haus des Ritters hatte eingestehen wollen.
    »Hast du heute schon etwas gegessen?« fragte Belier. Ohne Tobias' Antwort abzuwarten, winkte er einen Bediensteten herbei und trug ihm auf, Brot, Schinken und frisches Quellwasser aufzutischen.
    Tobias machte keine Anstalten, abzulehnen. Überdies ließ ihn

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