Die Loge
der Tag, an dem der Heilige Vater die Synagoge besuchen würde. Versuchte Tiepolo ihm damit zu erklären, daß es dort Probleme geben könnte?
Donati stand ruckartig auf und machte sich auf den Weg zu den päpstlichen Gemächern. Er hastete an zwei der Schwestern vorbei, die den päpstlichen Haushalt besorgten, ohne sie eines Wortes zu würdigen, und betrat das Speisezimmer. Der Heilige Vater hatte eine Delegation von Bischöfen aus dem Mittleren Westen der USA zu Gast, und das Gespräch war auf ein Thema gekommen, das Seine Heiligkeit abstoßend fand. Er schien erleichtert zu sein, als Donati mit großen Schritten hereinkam, obwohl der Privatsekretär grimmig und geschäftsmäßig wirkte.
Der Monsignore blieb neben seinem Herrn stehen und beugte sich leicht nach vorn, damit er direkt in sein Ohr sprechen konnte. Die Bischöfe, denen Donatis ernste Miene Hinweis genug war, sahen und hörten dezent weg. Als Donati fertig gesprochen hatte, legte der Papst Messer und Gabel aus der Hand und schloß sekundenlang die Augen. Dann sah er auf, nickte kurz und wandte sich wieder seinen Gästen zu.
»Also, wo waren wir stehengeblieben?« fragte der Heilige Vater in die Runde, als Donati den Raum verließ.
Sie drehten ein weiteres halbes Dutzend Runden um den campo, während sie darauf warteten, daß das Handy klingelte. Tiepolo füllte diese leeren, sorgenvollen Minuten aus, indem er Gabriel mit unzähligen Fragen löcherte – nach seiner Arbeit für den israelischen Geheimdienst, seinem Leben, seiner Familie und seinem merkwürdigen Dasein als jüdischer Restaurator, der Tag und Nacht von christlichen Darstellungen umgeben ist. Gabriel beantwortete alles, so gut er konnte, und wich Fragen, die sensible Bereiche berührten, geschickt aus. Tiepolo, der noch immer nicht glauben konnte, daß Gabriel kein Italiener war, forderte ihn auf, ein paar Worte Hebräisch zu sprechen. Also führten Chiara und Gabriel einige Minuten lang ein lebhaftes Gespräch auf hebräisch – hauptsächlich auf Tiepolos Kosten –, bis sie durch das Zirpen des Handys unterbrochen wurden. Der Italiener hob es ans Ohr, hörte eine Zeitlang schweigend zu und murmelte dann: »Ja, ich verstehe, Monsignore Donati.«
Er klappte das Handy zu und steckte es wieder ein.
»Hast du eine Antwort erhalten?« fragte Gabriel.
Tiepolo lächelte.
29
R OM
Im Norden Roms, nahe einer sanften Biegung des Tibers, liegt eine hübsche kleine Piazza, auf die Touristen sich nur selten verirren. Dort gibt es eine alte Kirche, deren Glockenturm Risse aufweist, und eine wenig frequentierte Bushaltestelle. Und dort befinden sich ein Café und eine kleine Bäckerei, deren Besitzer noch selbst backt, so daß sich morgens frischer Brotduft mit dem schlammigen Geruch des Flußwassers mischt. Direkt gegenüber der Bäckerei steht ein leicht heruntergekommenes Apartmentgebäude, dessen Eingang von zwei Orangenbäumen in großen Tonkübeln flankiert wird. Von der großen Dachterrassenwohnung aus ist in der Ferne die Kuppel des Petersdoms zu sehen. Die Wohnung hatte ein Mann gemietet, der sie nur selten nutzte. Er erwies damit seinen Auftraggebern in Tel Aviv einen Gefallen.
Das Gebäude hatte keinen Lift, daher mußten sie im Halbdunkel des Treppenhauses vier Treppen hinaufsteigen, um die Wohnung zu erreichen. Chiara ging voraus, Gabriel und Francesco Tiepolo folgten ihr. Bevor sie ihren Schlüssel ins Schloß stecken konnte, wurde die Tür aufgerissen, und Schimon Pazners untersetzte Gestalt füllte den Türrahmen aus. Die Erinnerung an Gabriels und Chiaras Flucht mit der Motorjacht stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Hätten zwei Meter hinter ihm nicht Ari Schamron und Eli Lavon gestanden, die beide türkische Zigaretten qualmten, wäre Pazner über sie hergefallen, dessen war sich Gabriel sicher. So aber mußte Pazner schweigend zur Seite treten, als Gabriel sich wortlos an ihm vorbeidrängte und Schamron begrüßte. An diesem Abend sollte es keinen Familienkrach geben – nicht vor einem Außenstehenden. Aber irgendwann, wenn Schamron nicht mehr da wäre,würde Pazner sich rächen. So lief das im Dienst immer ab.
Gabriel übernahm die Vorstellung. »Das hier ist Francesco Tiepolo. Francesco, das hier sind die Männer. Ich will dich nicht dadurch beleidigen, daß ich sie mit Namen vorstelle, denn ich müßte falsche Namen nennen.«
Der Venezianer schien diese Mitteilung gutgelaunt aufzunehmen. Schamron trat vor und übernahm die Gesprächsführung. Er schüttelte
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