Die Loge
legte den ersten Gang ein und steuerte den Lancia furchtsam die düstere Ausfahrtsrampe hinauf. Im nächsten Augenblick gelangten sie in die Nacht hinaus. Der Geistliche gab zögernd Gas, fuhr dann aber in hohem Tempo die Via Belvedere in Richtung Annentor entlang.
»Ihr müßt Euch ducken, Euer Heiligkeit.«
»Ist das wirklich nötig, Luigi?«
»Francesco, bitte helfen Sie Seiner Heiligkeit, sich zu verstecken!«
»Entschuldigung, Euer Heiligkeit.«
Der große Venezianer packte den Heiligen Vater an den Mantelaufschlägen und zog ihn nach unten auf seinen Schoß. Der Lancia raste an der päpstlichen Apotheke und der Vatikanbank vorbei. Als sie sich dem Annentor näherten, blendete Monsignore Donati auf und hupte dabei laut. Der verblüffte Gardist am Tor brachte sich mit einem Sprung vor dem heranrasenden Fahrzeug in Sicherheit. Monsignore Donati bekreuzigte sich, als sie durch das Tor sausten und ins eigentliche Rom gelangten.
Der Papst sah zu Tiepolo auf. »Kann ich mich wieder aufsetzen, Francesco? Diese Situation ist höchst unwürdig.«
»Monsignore Donati?«
»Ja, jetzt besteht keine Gefahr mehr, denke ich.«
Tiepolo half dem Papst, sich wieder aufzusetzen, und zog ihm den Mantel glatt.
Auf der Dachterrasse der sicheren Wohnung stand Chiara und beobachtete den Lancia, wie er auf die Piazza gefahren kam. Er hielt vor der Haustür, und drei Männer stiegen aus. Chiara verschwand ins Wohnzimmer. »Eben ist ein Wagen angekommen«, sagte sie. »Tiepolo und zwei Begleiter. Einer von ihnen könnte unser Mann sein.«
Wenig später wurde an der Tür geklingelt. Gabriel durchquerte den Raum und öffnete die Wohnungstür. Draußen standen Francesco Tiepolo und ein Geistlicher im Anzug mit Priesterkragen. Sie hatten einen kleinen Mann zwischen sich, der zu einem langen Mantel einen weichen Filzhut trug. Gabriel trat beiseite. Tiepolo und der Geistliche geleiteten den Mann in die sichere Wohnung.
Gabriel schloß die Tür. Als er sich umdrehte, sah er, wie der kleine Mann den Hut abnahm und dem Geistlichen gab. Auf seinem Hinterkopf saß ein weißer zucchetto . Danach zog er seinen rehbraunen Mantel aus, unter dem eine blendendweiße Soutane zum Vorschein kam.
Seine Heiligkeit Papst Paul VII. sagte: »Wie ich erfahren habe, besitzen Sie, meine Herren, wichtige Informationen, die Sie mir mitteilen wollen. Ich bin ganz Ohr.«
30
R OM
Die Wohnungstür war unversperrt, wie es der Italiener versprochen hatte, und öffnete sich, als Lange die Klinke herabdrückte. Er schloß sie hinter sich und ließ das Sicherheitsschloß einschnappen, bevor er Licht machte. Vor ihm lag ein einziger Raum mit nacktem Fußboden und wasserfleckigen Wänden. In einer Ecke stand ein stählernes Bettgestell – mehr ein Feldbett als ein richtiges Bett – mit papierdünner Matratze. Kein Kopfkissen, am Fußende eine zusammengelegte kratzige Wolldecke voller Flecken. Pisse? Sperma? Darüber konnte Lange nur Vermutungen anstellen. Dieser Raum hatte Ähnlichkeit mit dem in Tripolis, in dem er einst in fiebriger Erwartung vierzehn Tage lang gehaust hatte, bis ihn sein Führer aus dem libyschen Geheimdienst in die Ausbildungslager im Süden mitgenommen hatte. Andererseits gab es einen erheblichen Unterschied zu damals: das über dem Bett hängende große, aus Holz geschnitzte Kruzifix, das mit einem Rosenkranz und einem getrockneten Palmwedel geschmückt war.
Neben dem Bett stand eine kleine Kommode. Lange zog müde die Schubladen auf. Er fand Unterwäsche, zusammengerollte schwarze Socken und ein Brevier mit Eselsohren. Widerstrebend wagte er sich ins Bad und fand dort ein rostiges Emaillebecken mit zwei Hähnen, einen fast blinden Wandspiegel und ein WC ohne Toilettensitz vor.
Er öffnete den Kleiderschrank. An der Stange hingen zwei schwarze Anzüge, wie sie Geistliche trugen. Auf dem Boden stand ein Paar schwarze Schuhe: abgetragen, aber sorgfältig geputzt; die Schuhe eines Armen, der auf seine Erscheinung achtet. Als Lange die Schuhe mit seinem Fuß beiseite schob, sah er das lose Bodenbrett. Er bückte sich und hob es heraus.
Als er in den kleinen Hohlraum griff, ertastete er ein in Öltuch gewickeltes Päckchen. Er holte es heraus, faltete das Tuch auseinander und fand darin eine Stetschkin-Pistole, einen Schalldämpfer und zwei Magazine mit 9-mm-Patronen. Lange rammte eines der Magazine in den Pistolengriff und steckte die Waffe in seinen Hosenbund. Den Schalldämpfer und das Reservemagazin wickelte er wieder in das
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