Die Loge
Tiepolo die Hand und starrte ihm forschend in die Augen. Tiepolo war klar, daß seine Glaubwürdigkeit abgeschätzt wurde, aber er ließ sich nicht anmerken, daß ihm Schamrons offen prüfender Blick unangenehm war.
»Ich kann Ihnen nicht genug dafür danken, daß Sie bereit sind, uns zu helfen, Signor Tiepolo.«
»Der Heilige Vater ist mir ein lieber Freund. Stieße ihm etwas zu, könnte ich mir das nie verzeihen – vor allem, wenn ich irgendwie in der Lage gewesen wäre, es zu verhindern.«
»Sie können versichert sein, daß sich unsere Interessen in diesem Fall völlig mit den Ihrigen decken.« Schamron ließ endlich Tiepolos Hand los und wandte sich an Schimon Pazner. »Bringen Sie ihm einen Kaffee! Sehen Sie nicht, daß er eine lange Fahrt hinter sich hat?«
Pazner warf Gabriel einen eisigen Blick zu und polterte in Richtung Küche davon. Schamron führte Tiepolo ins Wohnzimmer. Der Venezianer nahm in einer Sofaecke Platz, die anderen scharten sich um ihn. Schamron vergeudete keine Zeit damit, Höflichkeiten auszutauschen.
»Wann werden Sie im Vatikan erwartet?«
»Ich soll um sechs Uhr am Bronzeportal sein. Normalerweise holt Monsignore Donati mich dort ab und geleitet mich in die päpstlichen Gemächer im zweiten Stock hinauf.«
»Wissen Sie bestimmt, daß dieser Donati zuverlässig ist?«
»Ich kenne Monsignore Donati ebensolange wie den Heiligen Vater. Er ist ihm bedingungslos treu ergeben.«
Schimon Pazner kam herein und brachte Tiepolo eine Tasse Espresso.
»Uns ist wichtig, daß sich der Heilige Vater und seine engsten Mitarbeiter bei dieser Sache wohl fühlen«, fuhr Schamron fort. »Wir sind bereit, uns unter allen Bedingungen, die dem Heiligen Vater genehm sind, mit ihm zu treffen. Verständlicherweise würden wir jedoch einen sicheren Ort vorziehen, an dem unsere Anwesenheit bestimmten Elementen der Kurie verborgen bliebe. Verstehen Sie, was ich damit zu sagen versuche, Signor Tiepolo?«
Tiepolo hob die Tasse an den Mund und nickte nachdrücklich.
»Die Informationen, die wir dem Heiligen Vater übermitteln wollen, sind höchst sensibler Natur. Wir sind notfalls bereit, mit einem vertrauenswürdigen Mitarbeiter zu sprechen, aber unserer Überzeugung nach wäre es am besten, wenn der Papst sie mit eigenen Ohren hören würde.«
Tiepolo leerte seine Tasse mit einem Zug und stellte sie leise klirrend auf die Untertasse zurück. »Für mich wäre es nützlich, wenn ich eine gewisse Vorstellung von der Art dieser Informationen hätte.«
Schamron war anzumerken, daß ihm bei diesem Gedanken unwohl war. Er beugte sich vor. »Sie betreffen das Verhalten des Vatikans im Zweiten Weltkrieg und eine Besprechung, die vor langer Zeit in einem Kloster am Gardasee stattgefunden hat. Sie müssen entschuldigen, Signor Tiepolo, wenn ich nicht mehr sage.«
»Und die Art der Gefahr, in der er schwebt?«
»Wir glauben, daß die Gefahr für den Heiligen Vater von bestimmten Kräften innerhalb der Kirche ausgeht, was erfordert, daß er zusätzliche Maßnahmen trifft, um sich selbst und seine nähere Umgebung zu schützen.«
Tiepolo blies die Backen auf und ließ die Luft langsam entweichen. »Glücklicherweise wirkt sich etwas zu Ihrem Vorteil aus. Monsignore Donati hat mir schon mehrmals erzählt, daß er sich Sorgen um die persönliche Sicherheit des Heiligen Vaters macht. Deshalb wird ihn diese Mitteilung nicht überraschen. Und was den Krieg betrifft …«, Tiepolo zögerte, dann wählte er seine Worte sichtlich mit Bedacht. »Lassen Sie mich nur sagen, daß das ein Thema ist, mit dem sich der Heilige Vater viel beschäftigt hat. Er bezeichnet es als einen Fleck auf dem Ehrenschild der Kirche. Als einen Makel, den zu entfernen er entschlossen ist.«
Schamron lächelte. »Das trifft sich gut, Signor Tiepolo. Wir sind hier, um ihm dabei zu helfen.«
Pünktlich um siebzehn Uhr fünfundvierzig hielt ein schwarzer Fiat vor dem Eingang des Apartmentgebäudes. Francesco Tiepolo stieg hinten ein. Schamron und Pazner erschienen kurz auf der Dachterrasse und sahen der Limousine nach, als sie den Tiber entlang auf die in der Ferne sichtbare Kuppel des Petersdoms zufuhr.
Eine Viertelstunde später setzte der Fiat den Venezianer am Petersplatz ab. Tiepolo schlüpfte durch die Absperrgitter und ging unter den Kolonnaden von Bernini weiter, während die Glocken des Petersdoms sechs Uhr schlugen. Am Bronzeportal nannte er seinen Namen und hielt dem Gardisten seinen Personalausweis hin. Der Wachposten sah erst auf
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