Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Loge

Die Loge

Titel: Die Loge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
Vom Netzwerk:
Arbeitszimmer. Er zog die schweren Vorhänge einen Spaltbreit auf und sah hinunter. Auf dem Petersplatz spielten sich tumultartige Szenen ab: Carabinieri liefen mit schußbereiten Waffen herum, während Touristen unter den Kolonnaden Schutz suchten. Und mitten über den weiten Platz hastete ein wie ein Geistlicher gekleideter Mann, der einer Frau eine Pistole an die Schläfe hielt.
    Katrine Boussard sah den Mann ebenfalls, jedoch aus einem anderen Blickwinkel: von ihrem Beobachtungsposten am Ende von Berninis Kolonnaden. Als der Tumult auf dem Platz ausbrach, verließ der Carabiniere, der zuvor den beiden Männern auf dem Motorrad die Absperrung geöffnet hatte, seinen Posten und rannte auf den Vatikanpalast zu. Katrine legte den ersten Gang ein und ließ ihr Motorrad anrollen. Dann fuhr sie durch die Lücke im Sperrgitter und hielt quer über den Petersplatz auf ihren Komplizen zu.
    Lange sah sie kommen. Als sie neben ihm hielt, stieß er die Amerikanerin zu Boden, schwang sich vor Katrine auf die Maschine, wendete und raste zum Rand des Petersplatzes zurück. Ein Carabiniere rannte die Absperrung entlang, um das Sperrgitter wieder zu schließen, bevor das Motorrad es erreichte. Lange zielte kurz, dann gab er die beiden letzten Schüsse aus dem Magazin der Stetschkin ab. Der Carabiniere brach zusammen.
    Eric Lange raste durch die Lücke im Sperrgitter und lenkte sein Motorrad nach rechts. Im nächsten Augenblick war er verschwunden.
    Auf dem Petersplatz herrschte Chaos. Die erste Aufgabe der Polizei würde natürlich sein, den Tatort zu sichern und die Opfer zu versorgen, statt den Mann zu verfolgen, der diese Spur der Verwüstung hinterlassen hatte. Gabriel wußte, daß ein erfahrener Profi nur wenige Minuten brauchte, um im Straßenlabyrinth Roms unterzutauchen. Schließlich hatte er dies selbst schon einmal geschafft. In wenigen Augenblicken konnte der Leopard, der Mann, der Benjamin und unzählige andere ermordet hatte, für immer verschwunden sein.
    Das Motorrad, auf dem Gabriel und Monsignore Donati von der Synagoge zum Vatikan geeilt waren, stand noch dort, wo sie es zurückgelassen hatten: wenige Meter vom Bronzeportal entfernt auf seinem Seitenständer. Gabriel hatte die Schlüssel noch in der Tasche. Er schwang sich in den Sattel und raste über den Petersplatz davon.
    Am Ende der Kolonnaden bog er wie zuvor der Attentäter nach rechts ab und sah sich sofort vor eine Entscheidung gestellt. Er konnte entlang der äußeren Begrenzung des Stadtstaats weiterfahren oder links auf das Südende des weitläufigen Gianicolo-Parks zuhalten. Als Gabriel bremste, um eine Entscheidung zu treffen, trat ein Tourist mit umgehängter Kamera auf ihn zu und rief auf französisch: »Suchen Sie den Geistlichen mit der Pistole?«
    Der Franzose deutete den Borgo Santo Spirito entlang, eine schmale gepflasterte Straße, die mit Bürogebäuden des Vatikans und Souvenirläden für religiöse Andenken gesäumt war. Gabriel nickte dankend, lenkte nach links und gab Gas. Diese Richtung war nur logisch. Behielt der Attentäter sie bei, konnte er im Park untertauchen. Von dort aus war das Straßengewirr von Trastevere in wenigen Minuten zu erreichen. Und von Trastevere aus konnte er den Tiber überqueren, um in die Wohnviertel auf dem Aventin zu gelangen.
    Nach hundert Metern bog Gabriel rechts ab und raste die Fassade eines renovierungsbedürftigen Palazzos entlang. Er kam zu einer belebten Piazza am Fluß, bog erneut rechts ab und fuhr die Zufahrtsrampe zum Park hinauf. Oben befand sich ein Verkehrskreisel an der Ausfahrt eines unterirdischen Busbahnhofs. Dort glaubte Gabriel, den Attentäter erstmals zu sehen: einen schwarzgekleideten Motorradfahrer mit einer Blondine auf dem Rücksitz. Die Maschine beschleunigte bei der Ausfahrt aus dem Kreisel und verschwand im Park. Gabriel raste hinterher.
    Die Straße durch den Park war von breiten, mit Kies bestreuten Gehsteigen und riesigen Schirmpinien flankiert. Sie führte leicht ansteigend einen Hügelrücken entlang, so daß Gabriel bald den Eindruck hatte, über der Stadt zu schweben. Als er sich der Piazzale Garibaldi näherte, sah er etwas im dichten Verkehr vor sich aufblitzen: ein von einem Mann in Schwarz gelenktes Motorrad, das sich riskant zwischen den Autos hindurchschlängelte. Im Verkehrschaos auf dem kleinen Platz verlor Gabriel die Maschine kurz aus den Augen. Dann entdeckte er sie wieder, als sie in eine kleine Seitenstraße abbog, die nach Trastevere den Hügel

Weitere Kostenlose Bücher