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Die Loge

Die Loge

Titel: Die Loge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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in schroffem, geschäftsmäßigem Ton. Dabei fiel ihr ein, daß er ihr eingeschärft hatte, am Telefon niemals Namen zu nennen. Sie kam sich sehr töricht vor.
    »Sie wollten, daß ich Sie anrufe, wenn jemand ins Kloster kommt, um nach dem Professor zu fragen.« Sie zögerte, weil sie darauf wartete, daß er etwas sagen würde, aber der Mann schwieg. »Heute nachmittag war jemand da.«
    »Wie hat er sich genannt?«
    »Landau«, sagte sie. »Ehud Landau, aus Tel Aviv. Er hat gesagt, er sei der Bruder des Professors.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Das weiß ich nicht. Vielleicht übernachtet er im alten Hotel.«
    »Können Sie das herausbekommen?«
    »Ich denke schon, ja.«
    »Stellen Sie's fest – dann rufen Sie mich wieder an.«
    Die Verbindung wurde unterbrochen.
    Mater Vincenza legte das Handy in sein Versteck zurück und schloß leise die Schublade.
    Gabriel beschloß, in Brenzone zu übernachten und am nächsten Morgen in aller Frühe nach Venedig zurückzufahren. Er ging vom Kloster aus zu Fuß in das Hotel zurück und nahm sich dort ein Zimmer. Da ihn die Vorstellung deprimierte, in dem tristen Speisesaal des Hotels Abend zu essen, spazierte er durch den kalten Märzabend am Seeufer entlang und aß Fisch in einem gemütlichen Restaurant, in dem Einheimische verkehrten. Der Weißwein kam aus der Umgebung und war sehr kalt.
    Beim Essen blitzten vor seinem inneren Auge immer wieder Bilder auf, die mit dem Fall zusammenhingen: die Odinsrune und das Dreigezackte Hakenkreuz, beide an die Wand von Benjamins Zimmer gesprüht, der Blutfleck an der Stelle, an der Benjamin gestorben war, Kriminalkommissar Weiss, der ihn auf Münchens Straßen beschattete, Mater Vincenza, die ihn die Treppe in den feuchten Keller des Klosters am See hinunterführte.
    Gabriel war der Überzeugung, jemand habe Benjamin ermordet, um ihn zum Schweigen zu bringen. Nur das konnte erklären, weshalb sein Computer verschwunden war und nichts in seinem Apartment darauf hinwies, daß er überhaupt an einem Buch gearbeitet hatte. Gelang es ihm, Benjamins Buch – oder zumindest sein Thema – zu rekonstruieren, würde er vielleicht etwas über den Mörder und das Tatmotiv erfahren. Leider hatte er praktisch nichts in der Hand – nur die Aussage einer ältlichen Nonne, die behauptete, Benjamin habe an einem Buch über Juden gearbeitet, die im Krieg in kirchlichen Einrichtungen Zuflucht gesucht und gefunden hatten. Im großen und ganzen nicht gerade ein Thema, das einen Autor der Gefahr aussetzte, ermordet zu werden.
    Er zahlte und machte sich auf den Rückweg ins Hotel. Dabei ließ er sich Zeit, schlenderte durch die stillen Gassen der Altstadt, achtete kaum darauf, wo er ging, und folgte engen Durchgängen, wo immer sie sich vor ihm auftaten. Seine Überlegungen waren ein Spiegelbild seines mäandernden Weges durch Brenzone. Er ging das Problem instinktiv so an, als handle es sich um eine Restaurierung, als sei Benjamins Buch ein Gemälde, das so stark gelitten hatte, daß es praktisch nur noch aus einer kahlen Leinwand mit einigen Farbklecksen und dem Fragment einer Unterzeichnung bestand. Wäre Benjamin ein Alter Meister gewesen, hätte Gabriel alle seine übrigen Gemälde studiert. Er hätte seine Maltechnik und die Einflüsse untersucht, denen er zur Zeit der Entstehung des Gemäldes ausgesetzt gewesen war. Kurz gesagt: Er hätte alle nur möglichen Details – so trivial sie auch sein mochten – aus dem Leben des Künstlers zusammengetragen, bevor er sich an die Restaurierung gemacht hätte.
    Bisher hatte Gabriel nur sehr wenig, worauf er für die Restaurierung aufbauen konnte, aber während er jetzt durch die Gassen von Brenzone wanderte, wurde er auf eine weitere bedeutsame Tatsache aufmerksam.
    Er wurde zum zweitenmal innerhalb von zwei Tagen beschattet.
    Gabriel bog um eine Ecke und ging an einer Ladenzeile mit heruntergelassenen Rolläden vorbei. Als er sich kurz umsah, konnte er einen Mann beobachten, der hinter ihm um die Ecke kam. Er wiederholte dieses Manöver und konnte erneut seinen Verfolger ausmachen: einen bloßen Schatten in den schwach beleuchteten Gassen, hager und gebeugt, flink wie eine streunende Katze.
    Er schlüpfte in den dunklen Eingang eines kleinen Apartmenthauses und horchte angestrengt, während die Schritte leiser wurden und schließlich ganz verhallten. Im nächsten Augenblick trat er wieder auf die Straße hinaus und machte sich auf den Rückweg ins Hotel. Sein Beschatter blieb verschwunden.
    Als Gabriel ins Hotel

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