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Die Loge

Die Loge

Titel: Die Loge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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mehr Blut vergossen zu haben, als der Mann mit dem Spitznamen Leopard. Als freiberuflicher Auftragskiller hatte er seinen Beruf auf dem gesamten Kontinent ausgeübt und eine Spur aus Leichen und Bombenschäden hinterlassen, die sich von Athen nach London, von Madrid nach Stockholm erstreckte. Er hatte für die Rote-Armee-Fraktion in Westdeutschland, die Brigate Rosse in Italien und die Action Directe in Frankreich gearbeitet. Er hatte im Auftrag der Irish Republican Army einen hohen britischen Offizier und der baskischen Separatistenbewegung ETA einen spanischen Minister ermordet. Seine Beziehungen zu palästinensischen Terroristen waren dauerhaft und lukrativ gewesen. Er hatte nicht nur für Abu Jihad, den zweiten Mann an der Spitze der PLO, Entführungen und Auftragsmorde übernommen, sondern auch für den fanatischen palästinensischen Dissidenten Abu Nidal gemordet. Darüber hinaus galt der Leopard als der Planer der zeitgleichen Anschläge auf die Flughäfen von Rom und Wien, die im Dezember 1985 neunzehn Tote und hundertzwanzig Verletzte gefordert hatten. Das letzte ihm zugeschriebene Verbrechen, die Ermordung eines französischen Industriellen in Paris, lag nunmehr neun Jahre zurück. In westeuropäischen Polizei- und Geheimdienstkreisen glaubten manche Leute, der Leopard sei tot – im Streit von einem seiner alten Auftraggeber ermordet. Manche Leute bezweifelten sogar, daß er jemals existiert hatte.
    Als Eric Lange Zürich erreichte, war es schon dunkel. Er stellte seinen Wagen in einer schäbigen Straße nördlich des Hauptbahnhofs ab und ging zu Fuß zum Hotel »St. Gotthard« unweit der in sanfter Biegung verlaufenden Bahnhofstraße. Dort war ein Zimmer für ihn reserviert. Daß er kein Gepäck hatte, schien den Angestellten an der Rezeption nicht zu erstaunen. Wegen seiner Lage und seines Rufs absoluter Diskretion fanden in dem Hotel oft Besprechungen statt, die zu vertraulich waren, um in den Räumen einer Privatbank stattfinden zu können. Angeblich war Hitler selbst im »St. Gotthard« abgestiegen, wenn er zu Besprechungen mit seinen Schweizer Bankiers in Zürich gewesen war.
    Lange fuhr mit dem Aufzug in sein Zimmer hinauf. Er zog die Vorhänge zu und nahm sich einen Augenblick Zeit, um die Möbel zu verrücken. Er schob einen Sessel so in die Zimmermitte, daß er der Tür zugekehrt war, und stellte den Couchtisch davor. Auf die runde Tischplatte legte er zwei Gegenstände: eine kleine, aber starke Stablampe und die Stetschkin. Dann schaltete er das Licht aus und setzte sich in den Sessel. Im Zimmer war es stockfinster.
    Während er auf den Klienten wartete, trank er mit kleinen Schlucken einen enttäuschenden Roten aus der Minibar. Die Grundvoraussetzung für die Übernahme eines Auftrags war für ihn, nicht mit Kurieren oder Mittelsmännern zu verhandeln. Wollte ein Mann seine Dienste in Anspruch nehmen, mußte er den Mut haben, persönlich zu erscheinen und sein Gesicht zu zeigen. Darauf bestand Lange nicht aus Eitelkeit, sondern zu seinem eigenen Schutz. Seine Dienste waren so kostspielig, daß nur sehr reiche Männer es sich leisten konnten, ihn zu engagieren – Männer, die sich auf die Kunst des Verrats verstanden; Männer, die wußten, wie man andere vorschob, um sie für die eigenen Sünden büßen zu lassen.
    Um zwanzig Uhr fünfzehn, pünktlich zu der von Lange festgesetzten Zeit, wurde an die Tür geklopft. Mit einer Hand griff er nach der Stetschkin und mit der anderen nach der Stablampe, bevor er dem Besucher gestattete, das stockfinstere Zimmer zu betreten. Als die Tür wieder geschlossen war, schaltete er die Stablampe ein. Der Lichtstrahl zeigte ihm einen kleinen, gutgekleideten Mann Ende Sechzig mit einem eisgrauen Haarkranz, der an eine Tonsur erinnerte. Lange kannte ihn: General Carlo Casagrande, einst oberster Terroristenjäger der Carabinieri , jetzt Sicherheitschef des Vatikans. Wie viele der alten Feinde des Generals wären nur zu gern in Langes Position gewesen – mit einer geladenen Pistole auf den großen Casagrande, den Schlächter der Brigate Rosse, den Retter Italiens, zu zielen. Die Brigaden hatten versucht, ihn zu liquidieren, aber Casagrande hatte während des Krieges im Untergrund gelebt, war von Bunker zu Bunker, von Kaserne zu Kaserne gezogen. Also hatten sie an seiner Statt seine Frau und seine Tochter massakriert. Danach war der General nie mehr der alte gewesen, was vermutlich erklärte, weshalb er sich jetzt hier, in einem verdunkelten Hotelzimmer in Zürich

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