Die Loge
befand, um einen professionellen Killer zu engagieren.
»Hier kommt man sich vor wie im Beichtstuhl«, sagte Casagrande auf italienisch.
»Das ist der Zweck der Übung«, antwortete Lange in derselben Sprache. »Sie dürfen niederknien, wenn Ihnen dabei wohler ist.«
»Ich denke, ich bleibe lieber stehen.«
»Sie haben das Dossier?«
Casagrande hielt seinen Aktenkoffer hoch. Lange hob die Stetschkin in den Lichtstrahl der Stablampe, damit der Mann aus dem Vatikan sie sehen konnte. Casagrande bewegte sich mit der Bedächtigkeit eines Mannes, der mit hochexplosivem Sprengstoff umgeht. Er öffnete den Aktenkoffer, nahm einen großen braunen Umschlag heraus und legte ihn auf den Couchtisch. Lange griff mit der Rechten, in der er die Pistole hielt, nach dem Umschlag und kippte den Inhalt auf seinen Schoß. Sekunden später sah er auf.
»Ich bin enttäuscht. Ich habe gehofft, Sie würden mich damit beauftragen, den Papst zu ermorden.«
»Das hätten Sie getan, nicht wahr? Sie hätten Ihren Papst ermordet.«
»Er ist nicht mein Papst, und die Antwort auf Ihre Frage lautet: Ja, ich hätte ihn ermordet. Und wäre der Auftrag damals nicht an diesen verrückten Türken, sondern an mich gegangen, wäre der Pole an jenem bewußten Nachmittag im Petersdom gestorben.«
»Dann sollte ich vermutlich dankbar dafür sein, daß der KGB nicht Sie angeheuert hat. Sie haben weiß Gott genügend Schmutzarbeit für ihn erledigt.«
»Der KGB? Das glaube ich nicht, General, und Sie wohl auch nicht. Der KGB hat nicht viel von dem Polen gehalten, aber er war nicht so dumm, ihn ermorden lassen zu wollen. Auch Sie glauben sicherlich nicht, daß der KGB hinter dem Anschlag gesteckt hat. Wie man hört, glauben Sie, die Verschwörung zur Ermordung des Papsts sei räumlich näher angesiedelt gewesen – innerhalb der Kirche selbst. Deshalb wurden die Ergebnisse Ihrer Ermittlungen auch geheimgehalten. Die Vorstellung, die wahre Identität der Verschwörer preisgeben zu müssen, war allen Beteiligten zu peinlich. Außerdem war es zweckmäßig, auch ohne Beweise weiterhin anklagend nach Osten zeigen zu können, wo in Moskau die wahren Feinde des Vatikans saßen.«
»Die Zeiten, in denen wir Meinungsverschiedenheiten durch die Ermordung von Päpsten beendet haben, sind seit dem Mittelalter vorbei.«
»Bitte, General, solche Aussagen sind eines Mannes Ihrer Intelligenz und Erfahrung nicht würdig.« Lange ließ das Dossier auf den Couchtisch fallen. »Die Verbindungen zwischen diesem Mann und dem jüdischen Professor sind zu eindeutig. Das mache ich nicht. Suchen Sie sich einen anderen.«
»Niemand ist so gut wie Sie. Und ich habe nicht die Zeit, einen anderen passenden Kandidaten zu finden.«
»Dann wird die Sache teuer.«
»Wieviel?«
Eine Pause, dann: »Fünfhunderttausend, im voraus zahlbar.«
»Das ist leicht übertrieben, finden Sie nicht auch?«
»Nein, keineswegs.«
Casagrande tat so, als überlege er, dann nickte er. »Sobald Sie ihn liquidiert haben, durchsuchen Sie sein Büro und nehmen alles Material mit, das eine Verbindung zu dem Professor oder dem Buch herstellt. Außerdem will ich, daß Sie mir seinen Computer bringen. Sie schaffen alles nach Zürich und lassen es in demselben Schließfach zurück, in dem Sie das Material aus München deponiert haben.«
»Den Computer eines Mannes zu transportieren, den man gerade ermordet hat, ist für einen Killer nicht gerade ratsam.«
Casagrande verdrehte die Augen. »Wieviel?«
»Zusätzlich hunderttausend.«
»Abgemacht.«
»Sobald das Geld auf meinem Konto gutgeschrieben ist, gehe ich gegen die Zielperson vor. Gibt es einen Termin?«
»Gestern.«
»Dann hätten Sie vorgestern zu mir kommen sollen.«
Casagrande machte kehrt und verließ den Raum. Eric Lange knipste die Stablampe aus, blieb im Dunklen sitzen und trank seinen Wein aus.
Casagrande ging die Bahnhofstraße entlang, auf der ihm ein böiger Wind vom See her ins Gesicht wehte. Er spürte den erschreckenden Drang, in einem Beichtstuhl auf die Knie zu sinken und vor einem Priester seine Sünden zu bekennen. Aber das durfte er nicht. Nach den Regeln des Instituts durfte er nur bei einem Priester beichten, der selbst Mitglied der Bruderschaft war. Wegen der brisanten Natur von Casagrandes Arbeit war sein Beichtvater niemand anderer als Kardinal Marco Brindisi.
Er erreichte die Talstraße, eine von grauen Steingebäuden und modernen Bürogebäuden gesäumte stille Straße. Dort ging Casagrande ein kurzes Stück weiter,
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