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Die Logik des Verruecktseins

Titel: Die Logik des Verruecktseins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Preiter
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wie ein Minenfeld, in dem man sich, wenn überhaupt, nur zögerlich bewegen kann. Gleichzeitig herrscht große Angst, etwas falsch zu machen oder falsch gemacht zu haben und somit in den strengen Augen der anderen keinerlei Anerkennung mehr zu finden. Die permanente innere Anspannung kann sich auch in rastloser motorischer Unruhe zeigen, ein stetiges Hinund-her-Gehen, das aber eher einem Lauf im Hamsterrad gleicht, intensiv und ruhelos, doch ohne nennenswertes Ergebnis. Die Gedanken sind langsam und zäh, haftend an Themen der Selbstverurteilung, die Gefühle spärlich und die wenigen, die da sind, quälend intensiv.
    Ganz anders die Maniker. Sie sind laut. Im Schrittklang und in der Sprachlautbildung. Es scheint, als befürchteten sie, überhört zu werden. Ihre Körpersprache ist raumgreifend, sie brauchen Platz für zwei und mehr. Sie sind rastlos, laufend unterwegs, hetzen von hier nach dort und mögen sich kaum hinsetzen. Alles scheint interessant, zu allem kann etwas gesagt werden, jeder muss angesprochen und von den eigenen Gedanken belehrt werden. Das Selbstwertgefühl ist aufgebläht und unerschütterlich. Die Gedanken galoppieren mal in die eine, dann wieder in die andere Richtung. Die Stimmung kann heiter und sogar ansteckend fröhlich sein oder gereizt, unerbittlich
und vorwürflich. Es wird durch das Auftreten mitgeteilt: »Mit mir ist jederzeit und überall zu rechnen!«
    Wir alle nehmen teil an der emotionalen und inhaltlichen Gestaltung des geteilten Raums und tun dies bedarfsangepasst, ausgelotet zwischen dem »depressiven« und dem »manischen« Auftreten. Aber denken wir permanent darüber nach? Sitzen Sie bei einem beruflichen Meeting und achten, während Sie sprechen, darauf, wie Sie auftreten und wie viel oder wie wenig Raum Sie nutzen? Wahrscheinlich nicht, dennoch treten Sie sicherlich auf eine bestimmte Weise in Erscheinung - und das jetzt stimmige Ausloten Ihres Auftretens übernimmt Ihr Seelenlabyrinth für Sie. Aber auch Ihre Gegenüber besitzen ein Seelenlabyrinth, welches die von Ihnen kommenden sozialen Informationen jenseits Ihrer fachlichen Mitteilung aufnimmt und auswertet. Ihre Gegenüber machen sich anhand Ihres Verhaltens, von der Stimmlage über die Mimik bis zur Gestik, einen Eindruck darüber, wie ernst das zu nehmen ist, was Sie zu sagen haben. Allerdings tun Ihre Meetingteilnehmer dies ebenfalls nicht bewusst, das erledigt der Superrechner hinter dem Bewusstsein automatisch.
    Wo immer Menschen aufeinander treffen, tasten sich Seelenlabyrinthe mehr oder weniger behutsam ab. Da Hominiden-Männchen in der evolutionären Entwicklung in ihrem Erfolg stark rangabhängig waren, sind Menschen-Männchen im Durchschnitt bei der Seelenlabyrinthabtastung mit anderen Männchen sehr an Statusfragen interessiert und unterhalten sich tatsächlich nach dem Werbemotto: »Mein Haus, mein Auto, meine Yacht …« Sie sind auch das Geschlecht, das bei Infragestellung von rangsichernden Ressourcen wie Einkommen und Berufstätigkeit eher dazu neigen, depressiv zu dekompensieren. Kaum eine Frau wird depressiv, weil sie berentet wurde, bei Männern ist das hingegen keine Seltenheit. Frauen sind in ihrem Konkurrenzverhalten zurückhaltender und subtiler. Als das körperlich tatsächlich schwächere Geschlecht konnten sie sich direkte Auseinandersetzungen in den Hominidengruppen nicht leisten und zeigten schneller ein »depressiv« angepasstes Verhalten in Konfliktsituationen. Ihr Seelenlabyrinth musste schneller bereit sein,
auf »Depression« umzuschalten, als sich das ein Männchen leisten musste. Auch heute noch erkranken in unserer Gesellschaft Frauen drei- bis viermal häufiger an Depressionen als Männer, da die schnelle Bahnungsbereitschaft Richtung »Depression« als Konfliktlöser trotz moderner Lebensführung und Gleichberechtigungsbemühungen erhalten blieb. Männer hingegen, die evolutionär getunten Berufsprahler, erkranken dreimal häufiger an Manien als Frauen. Sie müssen die »Depression« so lange als möglich abwehrend verleugnen und gegebenenfalls extrem gegensteuern, da mit ihr ein Rangabsturz mit allen negativen Konsequenzen verbunden sein kann.
Bitte nicht verwechseln!
    Nach diesem kleinen Ausflug in die Psychopathologie der affektiven Störungen müssen wir uns vor dem nächsten Gedankenschritt innehaltend wieder eines in das Bewusstsein rufen: Psychiatrische Krankheitseinheiten bilden nicht die psychopathologische Realität ab. Sie stellen Orientierungsbojen im

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