Die Logik des Verruecktseins
Lebens
Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.
Weh mir, wo nehm’ ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.
Die Implosion der fünften Außenraumbühne droht in Schwellensituationen verbunden mit realen Umzügen des Lebens. Müssen wir Serienschaltungen mit anderen aufgeben, beispielsweise die Serienschaltung mit den Eltern im Laufe der Pubertät oder noch dringlicher in der Adoleszenz, droht die Implosion. Im fremden Sein hält uns noch kein neues, und das alte, bisher tragende, sinnstiftende, haben wir bereits verlassen.
Dem, der diese erste Wanderschaft antritt, erscheint im Vorausblick jetzt schon das ganze restliche Leben wie eine immerwährende Wanderschaft. In der Regel findet man zwar neue Unterkünfte, aber zunächst gilt es, die entstandene Lücke durch die Kurzimplosion der fünften Außenraumbühne auszuhalten. Unvergleichlich ausgedrückt in folgendem Gedicht.
Friedrich Nietzsche (1887)
Vereinsamt
Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein. -
Wohl dem, der jetzt noch Heimat hat!
Nun stehst du starr,
Schaust rückwärts, ach! wie lange schon!
Was bist du Narr
Vor Winters in die Welt entflohn?
Die Welt - ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends halt.
Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht.
Flieg, Vogel, schnarr
Dein Lied im Wüstenvogel-Ton! -
Versteck, du Narr,
Dein blutend Herz in Eis und Hohn!
Die Krähen schrein
und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein. -
Weh dem, der keine Heimat hat!
Vierte Außenraumbühne und ihre Depressionspotenz
Wo die anderen zwar emotional sichtbar sind, ich aber vielleicht nicht dazugehöre, weil mein Wert nicht ausreicht, die anderen ausreichend zu beeindrucken, da implodiert die vierte Bühne, die ebenfalls wie die fünfte Außenraumbühne ein virtueller Raum ist, der nicht einblicksfähig, aber in hohem Maße interpretationsbedürftig ist. Die Kunde, die von dort her kommt, ist neben meinen Inhaltsinterpretationen in erster Linie das Wort.
Die Gefährdung des Raums ist die Absprache der anderen über mich, das Gesehen-werden-Können, ohne selbst wirklich zu sehen. Das Wort eines anderen ist die Wiege, in der wir uns bergen können. Das Wort ist aber zugleich auch das scharfe Schwert, das uns fast tödlich in das Herz gerammt werden kann. Es grenzt ein und es grenzt aus. Was reden die anderen über mich? Was bleibt mir, dem potentiellem Serienschalter, von mir, wenn mir die anderen mit ihren Worten und Ansichten die Welt zerreden? Wie kann ich eigentlich eigene Ansichten haben und für eure Ansichten gleichzeitig offen sein?
Rainer Maria Rilke (1897)
Die Dinge singen hör ich so gern
(Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort)
Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.
Sie sprechen alles so deutlich aus:
Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,
und hier ist Beginn und das Ende ist dort.
Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott.
Sie wissen alles, was wird und war,
kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;
ihr Garten und Gut grenzt gerade an Gott.
Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.
Die Dinge singen hör ich so gern.
Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.
Ihr bringt mir alle die Dinge um.
Dritte Außenraumbühne und ihre Depressionspotenz
Welchen Stellenwert besitze ich für die anderen? Auch mitten unter den anderen kann man sich einsam fühlen, wenn man den Eindruck gewinnt, dass das eigene Rufen nicht gehört wird. Depressiv werden bedeutet auf dieser Raumbühne ein langsames Herausdrehen aus der Serienschaltung. Formal wird noch mitgetan, innerlich wurde bereits gekündigt. Wozu soll man noch Schätze sammeln, unterliegen diese doch einer scharfen Inflation in der Bewertung der anderen?
Oskar Loerke (1930er-Jahre)
Ich treibe mich um in den Menschenhorden,
Sie sind ohne Sünde;
Ich bin milde geworden.
Sie haben mich nicht hören wollen.
Wo sind meine Gründe
ihnen zu grollen?
Nur weil das Meine werter war
als andres, das begehrter war?
Das resigniert-milde »Dann halt nicht« kann sich steigern zur totalen Abkehr, zur totalen Herausdrehung aus dem Mitsein mit der Menschenhorde. Nachdem
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