Die Logik des Verruecktseins
Erlöser. Ich bin die Summe von allem, was ist, und damit bin ich das Ganze und gleichzeitig nichts. Mir bleibt nichts mehr verborgen und ich kann mich vor nichts mehr verbergen. Die vage Selbstrealisation des drohenden Ich-Untergangs wird in die Welt projiziert.
Fallbeispiel : Ein zwangsweise in die Behandlung gebrachter junger Mann betritt in Begleitung der Polizei die Station. Er war auffällig geworden, da er mitten auf einer sehr belebten Straßenkreuzung stehend versucht hatte, den Verkehr zu regeln. Auf meine Frage, wie er heiße, antwortete er: »Ich bin die ganze Welt!« Daraufhin griff er in seine Jackentasche, nahm seinen Personalausweis heraus, sah in an und zerriss ihn mit den Worten: »Ich bin tot!«
Vierte Außenraumbühne
Wer mit anderen Artgenossen sprachlich interagiert, fragt sich permanent: »Was reden die anderen über mich? Wie bewerten sie mich?« Explodiert diese Bühne, fusioniert der Mensch mit dem unsichtbaren Abstimmungsraum, in dem die anderen ihre geheime Wahl über mich durchführen. Ich lausche in den Abstimmungsraum und höre sie sprechen. Wie sie über mich reden, wie sie mein Handeln kommentieren, wie sie mir drohen. Wie sie versuchen, mich zu lenken. Wie mein Privatkern offen vor ihnen liegt und sie mit ihren Beobachtungen darin spazieren gehen können. Wie sie mich ausspähen, mit Kameras, mit Abhörwanzen, mit elektronischen Geräten.
Fallbeispiel : Eine 45-jährige Frau kommt zum wiederholten Male als Selbsteinweiser in das Krankenhaus und bittet um Behandlung. Seit einigen Wochen seien die Nachbarn wieder hinter ihr her. Sie
höre sie durch die Wände über sie sprechen. Sie redeten miteinander über sie und beschimpften sie. Ihr Handeln werde von ihnen kommentiert. Gedanken würden ihr von den Nachbarn aufgezwungen, wie ein offenes Buch könnten sie in ihr lesen. Die eigene Wohnung sei gespickt mit Überwachungskameras, nirgends sei sie mehr sicher. Zuletzt habe sie nur noch im völlig verdunkelten Badezimmer duschen können, aus Angst, sonst von den verborgen bleibenden Beobachtern gesehen zu werden. Sie brauche einen Ort, wo sie Schutz finden könne, und sie wisse aus den Voraufenthalten, dies könne nur das Krankenhaus sein. Krank sei sie aber nicht, das Problem seien allein die Nachbarn und deren bösartige Heimtücke.
Dritte Außenraumbühne
Endlich zeigt ihr euch. So seht ihr also aus. Ihr umstellt mich, ihr geht mir nach, ihr wartet vor meinem Haus. Ihr steckt die Köpfe zusammen, lacht über mich, zeigt heimlich mit Gesten in meine Richtung. Ich höre euch doch über mich sprechen, aber vor allem teilt ihr euch ohne Worte mit, die braucht ihr nicht dazu, wenn ihr mir nachstellt. Ihr seid in so enger Serie, dass Worte überflüssig werden, und meine Serienschaltung habt ihr nicht nötig. Dein Gesicht sagt mir, dass du in meinen Kopf blickst und dich dort besser auskennst als ich selbst. Ihr wisst alles über mich, da ihr schon überall wartend seid, obwohl ich noch gar nicht weiß, dass ich nach dort unterwegs bin. Was wollt ihr von mir? Alles, was ist, zeigt in meine Richtung, aber warum?
Fallbeispiel: Ein Mann, der nach einem Konflikt am Arbeitsplatz psychotisch geworden war, berichtet über eine zunehmende Überwachung in den letzten Wochen durch seine Arbeitgeber. Zuerst hätten sich die direkten Kollegen merkwürdig benommen. Sie hätten angefangen, hinter seinem Rücken zu reden und ihn auszugrenzen. Auf dem Nachhauseweg habe er dann zunehmend den Eindruck, schließlich die Gewissheit erlangt, verfolgt zu werden. Der Arbeitgeber habe wohl eine Detektei beauftragt, ihn zu überwachen. In der
U-Bahn oder bei der Busfahrt habe er genau gesehen, wie bestimmte Personen neugierig zu ihm herübergesehen hätten. Diese seien dann auch häufig genau mit ihm ausgestiegen, wohl um ihn weiter zu beobachten. Schließlich hätten sie ihm bereits morgens vor der Haustüre aufgelauert. Der Verfolgerkreis sei immer enger geworden, vom Nachbarhaus aus sei er schließlich auch noch beobachtet und bespitzelt worden. Mit immer raffinierteren Methoden habe man ihm nachgestellt. Nun könne er nicht mehr und brauche Hilfe.
Zweite Außenraumbühne
Ich sehe euch nicht mehr, aber alles um mich herum, alles, was daliegt und dasteht, ist von euch vergiftet. Keinem Ding kann ich mehr trauen, nichts ist wirklich frei von eurer Kontaminationsdämonie. Alles, was um mich ist, zerstört mich, will in mich hinein. Um mich liegt ein Minenfeld aus scheinbar harmlosen Sachen, die sich nur
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