Die Logik des Verruecktseins
der Nähe der Mündung des großen Flusses Oroonoque; durch einen Schiffbruch an Land gespült, bei dem alle außer
ihm ums Leben kamen. Mit einer Aufzeichnung, wie er endlich seltsam aus den Händen von Piraten befreit wurde. Geschrieben von ihm selbst.«
Die Geschichte in Kürze: Robinson Crusoe wird 1632 in York geboren. Gegen den Rat seines Vaters heuert Robinson als Seemann an und wird auf einer seiner ersten Fahrten vor der Küste Nordafrikas von Piraten überfallen und versklavt. Erst nach zweijähriger Gefangenschaft gelingt ihm zusammen mit einem ebenfalls versklavten Jungen die Flucht. Beide segeln entlang der afrikanischen Atlantikküste nach Süden. Schließlich werden sie auf hoher See aufgenommen und über den Ozean nach Brasilien gebracht. In Brasilien kommt Robinson durch geschicktes Handeln schnell zu Geld. Er erwirbt eine eigene Plantage und bewirtschaftet diese. Doch bald treibt es ihn erneut zur See, um schwarze Sklaven für seine und andere Plantagen aus Guinea in Afrika zu holen. Auf dieser Fahrt erleidet er bei einem Sturm in der Karibik Schiffbruch und strandet an einer abgelegenen Insel. Kein anderes Mitglied der Besatzung überlebt. Crusoe kann an den folgenden Tagen mit einem selbstgebauten Floß noch verschiedene Ausrüstungsgegenstände von seinem Schiff retten, bevor er eines Morgens feststellen muss, dass es nach einem weiteren Sturm verschwunden ist. Robinson baut sich eine Festung, in deren Schutz er lebt. Etwa am zwölften Tag seit seiner Landung auf der Insel errichtet er ein großes Kreuz, in das er den 30. September 1659 als Datum seiner Ankunft einritzt, und er beschließt, fortan an jedem Tag eine Kerbe in das Kreuz zu ritzen. Dass er schließlich 28 Jahre auf der Insel verbringen wird, ahnt er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Er beginnt, Getreide anzubauen, zu jagen und Kleidung aus Ziegenfellen herzustellen. Seine Festung rüstet er mit von dem Schiff stammenden Musketen aus. All dies tut er mit äußerster Vorsicht, da er sich auf der Insel nicht sicher fühlt. Auf der Insel gefangene Ziegen verwendet er zur Zucht und gelangt so zu einer eigenen Ziegenherde. Er leidet enorm unter seiner Einsamkeit, unter der fehlenden Begegnung mit anderen im Gespräch oder einfach nur im Beisammensein. In guten und selbstsicheren Tagen bezeichnet er sich als Gouverneur der Insel, deren einziger Bewohner er ist.
Eines Tages entdeckt er im Sand am Strand Fußabdrücke, die er zunächst für seine eigenen hält. Ein Größenvergleich aber verschafft ihm Gewissheit, dass es sich nicht um seinen eigenen Fußabdruck handeln kann. Robinson, der sich nichts mehr wünscht, als dass seine Einsamkeit beendet würde und der keinen weiteren Hinweis auf den Urheber des Fußabdruckes besitzt, als diesen selbst, erfasst panische Angst. Er flieht Hals über Kopf in seine Festung, in der er sich bis an die Zähne bewaffnet für Tage verschanzt. Bekanntlich befreit er später einen »Wilden« aus den Händen eines Kannibalenstammes, nennt diesen in Gedenken an den Befreiungstag »Freitag« und lebt mit Freitag noch über Jahre gemeinsam auf der Insel, bis sie schließlich gerettet werden. Danach durchlebt Robinson noch einige weitere Abenteuer, die aber für unsere Belange nicht mehr von Interesse sind.
Angst vor Einsamkeit vs. Angst vor dem Verschlungenwerden
Der zentrale Moment des Romans ist der Augenblick, in dem Robinson am Strand zufällig Fußabdrücke entdeckt. 17
Interpersonelle Begegnungen sind von der ersten Situation nach der Geburt an Hochrisikounternehmen für das auf ein Du angewiesene neue Leben. Zu Beginn hängt das physische Überleben alleinig von einem zum Wir bereiten Du ab. Später, wenn das physische Leben als Erwachsener selbst sichergestellt werden kann, ist das fruchtbare, befriedigende psychische Bestehen aber weiterhin von einer gelungenen Wir-Bildung mit anderen Menschen abhängig.
Die Entstehung von Einsamkeitsmomenten, wie sie Robinson durchleidet, ist in der Menschheitsgeschichte ein äußerst junges Phänomen und setzte erst mit der Sesshaftwerdung ein. In den frühen Hochkulturen mit ihren imposanten Stadtbildungen schaukelte sich erstmals verschärfte Isolation zu Einsamkeitserfahrungen hoch, die vorher über Millionen von Jahren Hominiden fremd waren, in den westlichen Gesellschaften hingegen heute zum »way of life« gehören.
Diese neuen Isolations- und Einsamkeitserfahrungen ermöglichten neue Entfaltungsgrade der menschlichen Psychopathologie. Aufgrund der verloren
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