Die Logik des Verruecktseins
Bewusstsein des Menschen ist über die Mechanismen der Evolutionsprinzipien allmählich aus dem Bewusstsein der Tiere entstanden.« 21
Wie dies im Einzelnen stattfand, auf welcher Funktionsebene die Evolution wirksam wird, lassen wir unberücksichtigt, da es im Grunde für unsere Belange unerheblich ist. Uns interessiert nicht der theoretische Streit der Populationsgenetiker, Gruppenselektionsbefürworter, Genegoismusvertreter und Organismusanhänger untereinander, uns interessiert, dass die Evolution ganz offensichtlich stattgefunden hat, Organismen verändert, physische wie psychische Merkmale hervorruft und Spuren in der anthropologischen Matrix hinterließ.
Die Grundvoraussetzungen evolutionärer Prozesse
Darwin war nicht der erste Forscher, der an eine stetige Entwicklung und Veränderung der Arten glaubte und diese zu belegen suchte. Jean-Baptiste Lamarck, der bedeutendste Biologe zu Beginn des 19. Jahrhunderts, hatte bereits vor Darwin in seinem Hauptwerk Philosophie Zoologique 1809 eine Evolutionstheorie vorgelegt. Die Vielzahl der Lebensformen führte er auf einen natürlichen Entwicklungsprozess zurück, der sehr langsam vonstatten gegangen sei. Verwandlungen der Arten in neue Arten sei geschehen, da zum einen dem Leben ein natürliches Bestreben nach Vollkommenheit innewohne und zum anderen erworbene Fähigkeiten an die Nachkommen weitervererbt werden könnten. Darwins großes Verdienst liegt in seiner Erkenntnis, die Evolution entgegen der Lamarckschen Vererbungstheorie als einen Prozess erkannt zu haben, bei dem der Zufall eine entscheidende Rolle spielt. Neben Darwin erarbeitete zeitgleich und unabhängig Alfred Russel Wallace (1823-1913) ebenfalls eine Evolutionstheorie, die in den entscheidenden Punkten mit Darwins Vorstellungen übereinstimmt. Beide trugen am 1. Juli 1858 ihre Theorie gemeinsam vor der hoch angesehenen Linné-Gesellschaft in London vor. Der Jahresbericht der Linné-Gesellschaft des gleichen Jahres berichtet, dass »in diesem Jahr keine bedeutsame Entdeckung zu verzeichnen gewesen ist«. Wie wir heute wissen, einer der größten Wissenschaftsirrtümer aller Zeiten. Zu den Ungerechtigkeiten des kollektiven Gedächtnisses gehört es außerdem, dass Darwin heute weltbekannt ist, wohingegen Wallace weitgehend in der Erinnerungsversenkung verschwunden ist. Darwins Evolutionstheorie sei in wenigen Sätzen trotz ihrer Bekanntheit an dieser Stelle erläutert.
Die Verwandlung der Arten über große Zeiträume hinweg nannte Darwin »natürliche Selektion«. Diese hat vier Grundvoraussetzungen. Erstens muss es überhaupt Fortpflanzung, also »Reproduktion« geben. Zweitens muss »Vererbung« stattfinden, Nachkommen müssen deshalb ihren Eltern in manchen Merkmalen ähnlicher sein können als anderen Mitgliedern ihrer Art. Die dritte Voraussetzung für
die Evolution ist »Variation« innerhalb einer Art, was ausdrückt, dass sich Mitglieder einer Art in Merkmalen leichtgradig unterscheiden können. Schließlich muss es als vierte Voraussetzung »Konkurrenz« innerhalb der Art geben. Diese führt dazu, dass nicht alle Mitglieder der Art gleich erfolgreich in der Reproduktion sein können: Die besser Angepassten, oder eingedeutscht »Fittesten«, überleben und haben mehr Nachkommen als die weniger gut angepassten Artgenossen. Die Entstehung der Arten folgt diesen Grundmechanismen und wird durch sie ermöglicht.
So viel zu Darwins Evolutionstheorie und seiner Nomenklatur. Was fangen wir jetzt damit an? Für unsere Zwecke ist diese Theoriesprache im Moment noch zu sperrig und verbirgt mehr, als sie offenlegen soll. Wir werden deshalb auf eine Metapher zurückgreifen, um dann mit ihrer Hilfe die modernen evolutionstheoretischen Konzepte vorzustellen, die wir benötigen, um menschliche Psychopathologie und ihre evolutionären Wurzeln begreifbarer zu machen.
Dass jede Metapher hinkt, wie auch die folgende, versteht sich von alleine.
Alles einsteigen in den Evolutionszug
Wie funktioniert Evolution?
Über solche Fragen denke ich gerne nach, während ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Klinik fahre. Dazu muss ich von einer U-Bahn am Hauptbahnhof in eine S-Bahn umsteigen. Die von mir zu nehmende S-Bahn ist aber jeden Morgen zur gleichen Zeit durch die hohe Anzahl an Berufspendlern und Schülern hoffnungslos überfüllt. Jeden Morgen bleiben einige enttäuschte Fahrgäste am Bahnsteig zurück, da aufgrund mangelnder Kapazitäten der Züge nicht alle mitfahren können. Und jeden Morgen
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