Die Lokomotive (German Edition)
die Flüssigkeit mit der Pest infizieren.
„Herr Ochs, was haben Sie denn um Himmelswillen?“
„Blut ... tropft ... auf mich“, damit mein Blick nicht zwangsläufig auf die Hand fiel, drehte ich den Kopf zur Seite.
„Sie bluten?“
„Nein, über mir ... eine Hand ... es blutet von einer Hand, es tropft ... in mein Gesicht.“
„Gütiger Himmel.“
„Ja.“
„Wissen Sie ... können Sie sehen ... lebt die Person?“
„Das kann ich nicht ... ich glaube nicht. Er ist tot“, aber einen Versuch war es wert, also rief ich mit hoffnungsloser Stimme nach oben, „Hallo, hören Sie mich?“
Der Handfetzen blieb still, kein Zucken im Geflacker des Lichts, das für ein letztes Mal einen Moment länger schien, bevor der Scheinwerfer erlosch und uns in die Dunkelheit entließ.
„Das Licht ist aus“, sagte Herr Baehr, „Gott sei Dank. Nicht mehr lange, und ich wäre verrückt geworden. Tut das gut.“
Herr Baehr sorgte sich um das Licht. Der beschwerte sich über das Blinken, während das Blut eines Toten, seit ich-weiß-nicht-wann auf mich herabtropfte. Und ich konnte nichts dagegen unternehmen. Ich musste mich meinem Schicksal ergeben und jeden weiteren Tropfen empfangen. Sie fielen nun alle fünf Sekunden. Hatten Menschen sieben oder acht Liter Blut?
„Herr Ochs, ich habe gesagt, ob das nicht gut tut!?“
„Was?“
„Na, dass das Licht aus ist.“
„Warum?“
„Ging Ihnen das Geflacker denn nicht auf den Geist? Ich habe Kopfschmerzen davon bekommen.“
„Mir war schlecht dabei geworden. Es ging besser, nachdem ich meine Augen zugehalten hatte. Das sollten Sie auch tun, das nächste Mal.“
Blut. Mir war bereits wieder übel geworden. Alle fünf Sekunden erinnerte mich der nächste Tropfen, der auf meinen Ärmel traf, dass mein Gesicht, meine Haare und mein Arm von Blut verklebt waren und ich in einer Blutlache liegen musste.
Meinen klatschnassen Unterarm wollte ich mir nicht mehr über das Gesicht legen, ich hielt ihn angewinkelt über mir.
„Das geht leider nicht“, sagte Herr Baehr.
„Was geht nicht?“
„Dass ich mir die Augen zuhalte.“
„Sind Sie so unglücklich eingeklemmt?“
Das blaue Licht leuchtete auf, das Handy begann wieder zu brummen.
Ich rief, „Hören Sie genau hin, das Handy schellt wieder, es brummt, gleich kommt ...“
Der Ringtone stammte gewiss aus einem Film.
Ein Mann fragte, What time is it?
Und ein anderer Mann sagte, It’s 11.30, we’re supposed to be there by Nine.
Und der Erste sagte wieder, I’ll be ready in a minute.
Und der Zweite meinte, Yeah you were always fucking late, you were late for your own fucking funeral, gefolgt von einem lauten Schuss.
Danach die Mailboxstimme des Mädchens, „Was ist denn schon wieder? Ich geb dir 30 Sekunden.“
Mein Arm zuckte in Richtung Handy, aber der Reflex kam wie ein Dienst nach Vorschrift. Natürlich scheiterte auch dieser Versuch. Ein Hohn, mein Schicksal verhöhnte mich.
Es war wieder ihre Mutter. In ihrer Stimme mischte sich Wut mit Sorge, „Julia, Julia, geh ran, ich glaub das jetzt echt nicht. Wie kannst du nur? Das ist deine letzte Chance. Ruinier dir nicht dein ganzes Leben, Julia. Das ist es nicht wert. Wo bist du? Ruf mich wenigstens zurück, sag Bescheid, ich versuche es, den Leuten hier zu erklären. Das schaffen wir schon. Melde dich. Bis gleich, Julia! Tschüss ... Tschüssi.“
„Tschüssi“, sagte ich zu dem verblassenden blauen Lichtspalt und drehte meinen Kopf in die andere Richtung, „Haben Sie das gehört, Herr Baehr? Konnten Sie alles verstehen?“
„Ja. Das Mädchen scheint in Schwierigkeiten.“
Wir schwiegen über diese Feststellung. Wenn die Mutter wüsste, in welchen Schwierigkeiten. Herr Baehr dachte wahrscheinlich das Gleiche.
Mein nasser Arm wurde schwer, und ich stützte ihn mit den Fingerspitzen auf meiner verschmierten Stirn ab, damit das Gewicht von der Schulter genommen wurde. So berührte ich mich nicht mehr als notwendig, und die Tropfen fielen auf den Ellbogen.
Für einen Moment war ich sogar froh, dass ich das Handy nicht zu fassen bekam. Ansonsten hätte ich der Mutter die Nachricht vom Unfall ihrer Tochter überbringen müssen.
Gerne hätte ich von dem Handy aus Hilfe gerufen, „Hallo, hier lebt noch wer! Fangt nicht an, den Schrott einfach mit einer Planierraupe wegzuschieben.“
Ginge das überhaupt im Watt? Die mussten
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