Die Londoner Drakulia Vampire 01 - Luzifers Wüstling
mit etwas, das wie Whisky aussah, und Angelica an ihre etwas verunglückte erste Erfahrung mit dem Getränk erinnerte.
Nachdem Maia das Zimmer zu ihrer Zufriedenheit beleuchtet sah, nahm sie in einem Sessel neben der Lampe Platz. Das weiche, gelbe Licht ließ ihr loses kastanienfarbenes Haar in allen Farbtönen aufleuchten, Bronze, Mahagoni und Honig. Dass sie es nicht hochgesteckt hatte, verwunderte Angelica, denn normalerweise achtete ihre Schwester peinlich genau auf ihre Erscheinung. Schon sich in einem Zimmer mit zwei anderen Herren außer ihrem Bruder zu befinden, nur mit einem Nachthemd, Morgenmantel und Pantoffeln bekleidet, war eigentlich schon nicht statthaft ... aber dann auch noch mit offenem Haar?
Chas lehnte sich gegen den Schreibtisch, der übersät war von Papieren, einem Berg von Schreibfedern und ungeordneten Bücherstapeln. Er sah müde aus, aber dennoch kraftvoll. Angelica hatte ihren Bruder nie als einen sehr starken, virilen Mann wahrgenommen ... aber in dem Moment sah sie ihn mit anderen Augen, sah ihn als respekteinflößend. Das war ein Mann, der laut Voss einen sehr mächtigen und sehr bösen Vampir überlistet hatte und dessen Schwester entführt hatte – oder mit ihr durchgebrannt war.
Gerade jetzt sah er aus, als wäre er genau dazu fähig.
Sie schaute zu dem anderen Mann neben dem Kamin hin und stellte fest, es war überhaupt kein Mann. Nur eine Frau als Mann verkleidet.
„Sie müssen Narcise Moldavi sein“, sagte sie und betrachtete sie. „Die Vampirin.“
„So was“, sagte Chas da mit einem kleinen Lachen. „Da wären wir nun.“ Maia entfuhr etwas, was Angelicas Name hätte sein können. Corvindale rührte sich nicht.
Die Frau nahm mit einer weiten Armbewegung den Hut ab, der ihr Gesicht verdeckt hatte, und Angelica sah sofort, was sie für eine Närrin gewesen war zu glauben, diese Frau wäre ein Mann. Sie war schön – die schönste Frau, die Angelica je gesehen hatte.
Was sie dort in den Schatten ursprünglich für ein hageres Gesicht gehalten hatte, war nichts weniger als ein zauberhaftes Gesicht mit hohen Wangenknochen und vollendet geschwungenen Lippen. Ihr Haar, hochgesteckt, aber jetzt etwas gelockert durch das Abnehmen des Huts, war kohlrabenschwarz. Ihre Haut ... Angelica hatte noch nie eine solche Porzellanhaut gesehen – glatt und weiß und fast durchsichtig. Der Blick, fest auf sie gerichtet, war von unglaublichem Blau.
„Das bin ich“, antwortete Narcise mit einer Stimme fast so tief wie die eines Mannes. Jetzt, ohne den Hut und mit ihrem Geschlecht offen erkennbar, wurde deutlich, dass die weiße Hemdbluse und der weite Mantel dazu gedacht waren, ihre Kurven zu verbergen.
„Sind Sie gekommen, damit wir Sie in unserer Familie willkommen heißen?“, erwiderte Angelica. Sie versuchte nicht einmal, ihre Geringschätzung und ihr Missfallen zu verbergen, und die Frau bemerkte das. Ihre Augen flackerten kurz heiß und rot und wurden dann wieder blau.
„Eigentlich setze ich durch mein Herkommen nur mein eigenes Leben aufs Spiel, und alles nur wegen Ihnen“, erwiderte sie in einer sehr beherrschten Stimme.
Chas warf Angelica einen warnenden Blick zu, der leider nichts gegen den Abscheu auszurichten vermochte darüber, dass ihr Bruder sich womöglich wirklich in eine blutrünstige, gewalttätige Vampirin verliebt hatte. Wenn sie Narcise anschaute, fragte Angelica sich, wie ein Mann sich nicht in sie verlieben könnte. Aber ... wie konnte er nur? Sie war ... wider die Natur.
Chas hätte wahrscheinlich gleich das Wort ergriffen, aber Narcise machte einen Schritt vom Kamin weg und schenkte sich dann ein Glas von Corvindales Whisky ein. Währenddessen sprach sie weiter. „Ihr Bruder hatte erfahren, dass Voss Sie entführt hatte, und bestand darauf, nach London zu kommen, egal was das nun für meine Sicherheit bedeutete.“
„Du weißt sehr wohl, dass du ihn nicht nach London begleiten musstest“, ertönte eine neue Stimme von der Tür her. „Schieb deine eigene Feigheit jetzt nicht dem Mädchen in die Schuhe, Narcise.“
Angelica fuhr herum und sah dort einen anderen Mann ins Arbeitszimmer eintreten, der ihr vage bekannt vorkam. Er nahm gerade seinen eigenen Hut ab, worunter ein Kopf mit dichtem, lockigem, dunklem Haar sowie ein ebenmäßiges, anziehendes Gesicht zum Vorschein kamen. Falten und Saum seines Mantels wehten hinter ihm her, als er das Zimmer
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