Die Londoner Drakulia Vampire 01 - Luzifers Wüstling
Menge bahnte, und das Gurtwerk, an dem sie befestigt waren, fühlte sich wie ein altmodisches langes Korsett an. Angelica hatte damals leider zu spät begriffen, dass Maia ihr dieses Kostüm genau deswegen vorgeschlagen hatte, und hatte beschlossen, von da ab ihre Kostüme selbst auszusuchen.
In ihrem fließenden Gewand war es Angelica ein Leichtes, zwischen einem Romeo und einer Waldfee, mit einem ebenso hinderlichen Flügelpaar, hindurchzuschlüpfen und sich im Gedränge zu verlieren.
Heute Abend gab es keine Tanzkarten. Niemand stellte sich vor. Keine Anstandsdamen (oder Schwestern), die einen mit Argusaugen beobachteten, und jegliches Fehlverhalten sofort ahndeten.
Kein Wunder war der Sterlinghouse Maskenball bei jedermann so beliebt.
Das Motto des heutigen Abends war das antike Babylon, und Lady Sterlinghouse hatte sich selbst übertroffen. Pflanzen hingen von hoch oben an den Wänden herab, deren mit Blüten besetzte Ranken gleich Rapunzels Haar herunterfielen und zarte Düfte verströmten. Springbrunnen gluckerten als Begleitung zum leisen Geplätscher von Ballgeflüster und Musik, so dass man nichts verstehen konnte, es sei denn, es wurde aus nächster Nähe geraunt. Diener waren im Stil des antiken Babylons in lange Roben mit geometrischen Mustern gekleidet und trugen Tabletts umher, die überquollen vor Speisen und Getränken.
Angelica stand neben einem Brunnen und fragte sich, woher das Wasser wohl kam, das sich über mehrere Becken ergoss und die Luft angenehm feucht hielt, als ein schneidiger Ritter sich näherte. Glücklicherweise trug er kein Kettenhemd, lediglich verziertes Leder über Wams und Hose.
„Sie beabsichtigen hoffentlich nicht, diese hier gegen mich zu richten“, sagte er und deutete mit der Hand zu ihrer Schere.
Sie konnte nicht genau sagen, ob sie seine Stimme erkannte, weil diese zwischen den Brunnen und anderen Geräuschen unterging, aber er kam ihr bekannt vor. Also lächelte Angelica und rollte ein Stück des goldenen Fadens auf. Sie hielt es hoch und tat, als würde sie ihm Maß nehmen, und versuchte hinter seine Maske zu schauen. Aber es war schattig und dunkel, und es gelang ihr nicht. „Nein. Ich glaube, Ihre Zeit ist noch nicht gekommen, Herr Ritter. Sie werden noch andere Lanzen und Herzen brechen.“
Er lachte, und da erkannte sie ihn. Der junge Viscount Harrington, eine sehr gute Partie, mit dem sie bereits bei mehreren Anlässen getanzt hatte und einmal sogar Arm in Arm auf die Terrasse hinausspaziert war. Hatte er sie erkannt? Hatte er sie aufgespürt?
„Vielleicht gewähren Sie einem gewöhnlichen Sterblichen einen Wunsch“, schlug er vor, „es würde mir zur Ehre gereichen, im nächsten Turnier Ihre Farben zu tragen.“
Angelica lächelte und schnitt ein großzügiges Stück Faden von ihrem Strang ab. „Ich gelobe, dass dies nichts weiter als ein Zeichen der Gunst einer Maid sei, und heute Nacht nicht das Werk von Atropos“, sprach sie zu ihm und wickelte es fest um seinen Arm.
„Sie sind es also“, sagte er dann und lächelte hinter seiner Ledermaske. „Ich war mir fast sicher, Miss Woodmore. Es war Ihr Haar, und wie Sie sich bewegen. Aber jetzt ist es gewiss. Gewähren Sie mir außer dieser Gunst auch noch den nächsten Tanz?“
„Selbstverständlich. Es wird mir ein Vergnügen sein“, erwiderte sie, und steckte Schere und Strang vorsichtig in ihr Handtäschchen, so dass die Spitzen sicher in eine Ecke des kleinen Beutels zeigten. Dann nahm sie seinen Arm und gestattete ihm, sie durch die Menge zur Tanzfläche zu führen.
„Es ist ein Walzer“, bemerkte er, als die Musiker ein neues Lied anstimmten. „Sie gestatten?“, fragte er nochmals und drehte das Gesicht zu ihr, als sie an der Tanzfläche angelangt waren.
Das Prickeln des Verbotenen durchschoss Angelica, und sie knickste leicht, „ja, Mylord.“
Ihr erster Walzer.
Angelicas Herz klopfte ein wenig schneller, als Harrington ihr behutsam die ungewohnte Körperhaltung des Tanzes zeigte und sie fast umarmte . Sie musste rasch ein nervöses Lächeln unterdrücken. Beim Lernen der Schritte scharrte Angelica kurz mit ihrem zierlichen Schuh, am Anfang zwar etwas zögerlich glitten sie dann aber in den Rhythmus der Musik hinein.
Zum Dreivierteltakt drehten sie die Runde um den Ballsaal, wobei sie mit den Schrittfolgen kleine Kreisel drehten. Angelica genoss die Freiheit dieser Art des Tanzes – so
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