Die Londoner Drakulia Vampire 01 - Luzifers Wüstling
abschloss, der bis über den Haaransatz reichte. Heute Abend war das eher unnötig, denn sie trug eine weiße Perücke, die selbst das darin festgemachte Krönchen überragte.
„Ja. Man wird uns zwar ankündigen, aber nicht unter unserem wahren Namen“, erklärte Maia, bevor Tante Iliana den Mund aufmachen konnte. Sie hielt ihre goldene Maske in der Hand, ebenso wie das königliche Zepter, das zu ihrem Kostüm gehörte. „Nur unter dem Namen unserer Kostüme.“
Angelica sah, wie die ältere Frau kurz aufmerkte, aber dann ihre Lippen schloss und sich wieder zurücklehnte, so als ob sie dem älteren Woodmore Mädchen hier die Zügel überlassen wolle. Sie schien nicht unbedingt dankbar dafür, doch war sie zumindest willens, Maias Hang zum Herumkommandieren hinzunehmen. Angelica war dafür dankbar, denn trotz der gelegentlich erdrückenden Sorgfalt, die Maia ihr angedeihen ließ, liebte und bewunderte sie ihre Schwester und hätte Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Damen bedauert.
„Um Mitternacht sollen alle Masken fallen“, fuhr Maia fort. „Obwohl es letztes Jahr auch fast ein Uhr wurde, weil vorher niemand so weit war.“
„Wir sind da“, sagte Angelica, als sie die Stimmen des Kutschers und der Diener hörte. Sie raffte ihr fließendes Gewand zusammen, um den anderen Raum zu geben.
Da schwang die Tür auch schon auf, und den drei jungen sowie der älteren Dame wurde aus der Kutsche geholfen.
Da gab es einen Engel in weißer Spitze mit einer hoch aufgetürmten Perücke.
Hinter ihr stieg eine zierliche Kleopatra in Gold aus, über und über mit Juwelen behängt, die ihren Stab schwang. Sie wurde gefolgt von einer Königin Elizabeth mit steifer Halskrause, deren umfangreicher Reifrock mit einiger Mühe umständlich durch die Kutschentür bugsiert werden musste.
Zuletzt entstieg der Kutsche Atropos, die in Händen ihre Schicksalsschere und einen Strang des Schicksalsfadens hielt. Ihr mit Gold durchwirktes schwarzes Gewand war nach griechischer Manier in zwei Schichten drapiert: von der Schulter bis zur Taille, dann noch einmal um sie herum, um dann wieder von der Taille abwärts bis zu den Füßen zu fallen. Es war eine wirkungsvolle Mischung aus Eleganz und Sinnlichkeit, wo der leichte, glitzernde Stoff sich an ihren Ausschnitt und ihre Hüften schmiegte, aber sie auch frei umfloss, und ihre Gestalt jederzeit verhüllen konnte.
Ihre Arme waren bis auf lange schwarze Handschuhe nackt, und am Handgelenk baumelte ein kleiner Pompadour für Strang und Schere. Kamelienblüten aus goldenem Material saßen an den Schulternfalten des Kleides, entlang der üppigen Schleppe, die sich in kleinen Wellen über den Boden ergoss, sowie an den Handschuhen, wo sie sich vom Handgelenk bis zum Ellbogen hochzogen. Ihr schwarzes Haar hatte man in viele Flechten unterteilt, die mit Gold umwickelt hoch oben wie eine Krone auf ihrem Kopf zusammengefasst waren und von dort in schwerer Fülle zum Hals herabfielen.
Angelica fand rasch heraus, dass die schwarze Spitze des unteren Teils ihrer Maske sie an Wangen und Oberlippe kitzelte, und überlegte sich kurz, die Bordüre abzureißen. Aber nachdem sie in den Ballsaal gelangt war, verwarf sie die Idee sofort.
Heute Abend wollte sie so anonym wie möglich sein. Eine prickelnde Vorfreude hatte sie erfasst, und sie fühlte sich wagemutig und frei. Sie wollte nicht irgendwelchen jungen Damen begegnen, die kurz vor der Hochzeit standen und sie zu ihren Zukünftigen befragen wollten.
Angelicas Unruhe ließ sich zum Teil auf die Unterhaltung mit Dewhurst zurückführen. Nein – sie würde ihn in ihren Gedanken Voss nennen, so wie Corvindale. Der Name passte viel besser zu ihm als einer, der an eine Wiese im frühen Morgenlicht erinnerte. Trotz seiner goldbraunen Haare glich er keinesfalls einem sonnigen Morgen. Schon eher einem Nachmittag, überzogen von einem sanften Sommerschauer: ein wunderschöner Anblick, aber mit einem Hauch von Schatten und Schwermut.
Insgeheim musste sie über diese Laune lächeln. Als Maia mit Tante Iliana damit beschäftigt war, die Flügel von Mirabella aufzurichten, nutzte Angelica die Gelegenheit, ihr zu entwischen. Sie hatte das Engelskostüm in der letzten Ballsaison getragen und wusste, wie hinderlich solche Flügel beim Ballvergnügen werden konnten. Sie verhedderten sich beim Tanzen, ihre Spitzen bedrängten andere, wann immer man sich einen Weg durch die
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