Die Londoner Drakulia Vampire 01 - Luzifers Wüstling
nicht mehr Ihre Verantwortung sein. Meine Schwestern, die jüngste mit eingeschlossen, werden bei mir leben und –“
„Ein merkwürdiger Zeitpunkt, um eine Hochzeit zu planen. Wo Ihr Bruder verschwunden ist, Miss Woodmore. Oder drängt es Sie so sehr in die Ehe, dass Sie diese noch eingehen wollen, bevor Sie herausfinden können, was Ihrem Bruder widerfahren ist?“
Maia atmete jetzt ganz ruhig und ließ sich dabei Zeit. Wie sollte man einer solchen Unverschämtheit auch sonst begegnen? Sie wählte einen anderen Weg. „Mein Verlobter, Mr. Alexander Brad–“
„Ich bin gänzlich im Bilde hinsichtlich der Identität Ihres Verlobten, Miss Woodmore“, unterbrach er sie schneidend. Corvindale presste die Lippen aufeinander. Dann fuhr er fort. „Im Laufe der Jahre war Ihr Bruder so umsichtig, mir stets alle Informationen zukommen zu lassen, die ich benötigen sollte, wenn – dieser Fall einträfe. Es tut mir außerordentlich Leid, das es so gekommen ist.“
Zum ersten Mal wich die Kälte ein wenig aus seiner Stimme. Oder vielleicht bildete sie sich das auch ein, denn sonst schien er unnachgiebig wie zuvor. Sein Bedauern war selbstverständlich nicht auf das Verschwinden von Chas zurückzuführen, sondern darauf, wie lästig das für sein Leben war.
Nun, das war ihnen beiden also lästig. Und sie war dabei, diesen Zustand schnellstmöglich zu beenden.
Maia warf einen Blick hinüber auf seine besudelten Finger, mit der Tinte sogar an der Außenkante seiner linken Hand. Natürlich. Zu ungeduldig, um die Tinte antrocknen zu lassen, bevor er wieder drüber schrieb. Als Linkshänderin hatte sie diese Lektion selber auch lernen müssen. Und da fiel ihr auf, dass sie noch nie die bloßen Hände eines Mannes gesehen hatte. Außer bei Chas und ihrem Vater. Ohne Handschuhe schienen sie um so vieles kräftiger und eleganter, als wenn sie in weißen Stoff gehüllt waren.
Sie blinzelte und schaute hoch, und merkte, dass für ein paar Augenblicke lang nur Schweigen im Raum gewesen sein musste. Er schaute wieder in das Wirtschaftsbuch, und Maia atmete erleichtert auf, dass er sie nicht anstarrte und darauf wartete, sie möge etwas sagen.
„Als Chas jetzt nach Paris aufgebrochen ist“, sagte sie und lief zum sonnigen Ende des Arbeitszimmers, „hat er etwas getan, was er sonst nie tat. Er hinterließ Anweisungen für den Fall, dass wir über zwei Wochen lang keine Nachricht von ihm erhalten. Als hätte er befürchtet, etwas könnte passieren. Er hinterließ einen versiegelten Umschlag, der in diesem Falle, und nur in diesem, geöffnet werden solle. Wie es dann auch geschah. Sein Brief wies mich an, Sie sofort zu benachrichtigen, wenn wir zwei Wochen nichts von ihm gehört hätten, Mylord.“
„So stand es in Ihrem Brief, Miss Woodmore. Und so haben Sie mir bereits –“
„Ich hatte gehofft, Sie hätten vielleicht Nachricht von ihm erhalten. Oder ... wüssten etwas. Er hat uns niemals erzählt, weswegen er so viel reiste, oder was er tat. Ich weiß nicht einmal ... Ich weiß nicht einmal, welcher Art Ihre Verbindung zu ihm ist.“ Maia musste kämpfen, um ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. War sie die Einzige, die sich Sorgen um sein Verschwinden machte? Im Vorbeigehen strich sie mit steifen Fingern über einen kleinen Tisch.
„Ich habe zwar keine Nachricht von ihm selbst erhalten“, sprach Corvindale von hinter seinem Schreibtisch, „Ich versichere Ihnen jedoch, dass ich in der Sache meine eigenen Nachforschungen eingeleitet habe.“ Seine Stimme war tief und besänftigend.
„Haben Sie?“ Überrascht drehte sie sich um, Erleichterung war spürbar in ihrer Stimme zu hören.
„Das habe ich.“ Er hatte sich wieder in das wohl interessanteste Wirtschaftsbuch seit Menschengedenken vertieft. „Ich fürchte, ich kann Ihnen noch nichts berichten, aber, Miss Woodmore, ich werde herausfinden, was ihm passiert ist.“ Hier blickte er zu ihr auf. „Ihr Bruder ist ein sehr geschätzter Geschäftspartner von mir. Auch ich wünsche nicht, dass ihm irgendetwas widerfährt, Miss Woodmore.“
Die Bestimmtheit und die Drohung, die hinter seinen Worten stand, verursachten bei Maia eine ungeheure Erleichterung. Endlich. Zum ersten Mal, seit dem Verschwinden. „Ich danke Ihnen, Mylord“, sagte sie, und diesmal verriet ihre Stimme auch ihre Gefühle. „Und ich verspreche Ihnen, dass ich Sie so bald als möglich von der Bürde befreie, sich um
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