Die Lucifer-Connection (German Edition)
Zigaretten kamen nicht dagegen an. „Ich kann mir das Rauchen jetzt eigentlich nicht mehr leisten. Vielleicht vom Flaschenpfand … Ich glaube, wir haben es uns ganz schön verscherzt mit diesem Zaran. Ich kenn’ ihn ja nicht persönlich, aber ich vermute, das ist eher der nachtragende Typ.“
Der Sensenmann, der zehn schöne Minuten gehabt hatte, wanderte missmutig weiter. Zurück blieb der Gestank nach heißer Asche. Schwarzer Rauch rollte über den blauen Himmel.
„Es ist noch nicht vorbei. Hier endet es nicht.“
„Ich weiß.“
„Auf die bösen Menschen ist Verlass, sie ändern sich wenigstens nicht.“
William Faulkner
„Die Hölle ist leer und alle Teufel sind hier!“
Aus: „Der Sturm“, von William Shakespeare
58
Die Maschine ging in den Sinkflug. Die Wolken rissen auf und gaben Gill den Blick auf seine Lieblingsstadt frei. Unter ihm schlängelte sich die Themse durch ein Gewirr von Häusern und Plätzen nach Westen – wie eine silberne Schlange, die sich durch einen Ameisenhaufen windet. Er nahm die Kopfhörer ab. Mit seinem neuerworbenen MP3-Player hatte er sich in der letzten Stunde die besten Songs von Moneybrother angehört. Endlich war jemand ansatzweise in die Lücke des frühen Bruce Springsteen gestoßen – großartig! Er betrachtete missmutig den iPod. Wie viele Systemwechsel musste er noch mitmachen, bevor er in die Urne sprang? Vinyl, CD, Cassetten, VHS-Video, DVD, Blu-ray… Scheiße, sein Wohnzimmer sah inzwischen aus wie eine Zweigstelle des Deutschen Museums.
Mit einem kaum wahrnehmbaren dumpfen Schlag setzte die schwere Maschine auf, rollte aus und steuerte langsam auf die Flughafengebäude zu.
Gill hatte seine Waffen und Medikamente in Freetown zurückgelassen und kam mit dem abgespeckten Bag problemlos durch den Zoll. Statt mit dem Flughafenexpress in kurzer Zeit zur Paddington Station zu rasen, entschied er sich für die zivilisierteste Form der Fortbewegung, die Menschen bisher hervorgebracht haben: das Londoner Taxi. Gemächlich näherte sich das alte Ungetüm der Innenstadt, und Gill hatte genug Platz, um die Beine auszustrecken. Er hatte John angerufen, den er in ein paar Stunden in einem Pub im Eastend treffen würde. Bis dahin sollte er sich umhören.
Cobra hatte erfahren, dass Zaran mit seinem Jet von Sierra Leone aus direkt nach England geflogen war. Allerdings wusste er nicht genau, wo der Satanist gelandet war. Möglicherweise auf einem stillgelegten Militärflughafen in der Nähe von London.
Jedenfalls war die Stadt immer der richtige Ort, um Informationen zu sammeln. Und darin war John ein absoluter Profi. Seit einigen Jahren verdiente er seinen kargen Lebensunterhalt als Krimiautor. Seinen ersten Thriller über die Machenschaften der griechischen Olivenöl-Mafia wollte kein englischer Verlag haben; er war zuerst in Deutschland erschienen. Gill hatte John durch Reggie Kray kennengelernt, bei einem Besuch im Knast. Er war nicht der einzige, der dem legendären Gangster seine Aufwartung gemacht hatte. Zu Reggies prominenteren Besuchern hatten Patsy Kensit, Roger Daltrey, Diana Dors, Rick Wakeman, Cliff Richard und Debbie Harry gehört. Und Morrissey hatte den Song „The Last of the Famous International Playboys“ über ihn geschrieben.
Die inzwischen verstorbenen Kray-Zwillinge waren britische Folklore wie Robin Hood. Dämonisiert von der Oberschicht, hatten sie wegen nachgewiesener Gang-Morde von 1969 bis zu ihrem Lebensende im Knast sitzen müssen. Länger als jeder Kindermörder. Noch heute fürchteten Lords und Ladies sowie andere staatstragende Persönlichkeiten ihren Mythos, der mit jedem Jahr hinter Gittern gewachsen war. Die kleinen Leute hatten keinen Grund, vor den Krays Angst zu haben. Frauen und alten Leuten gegenüber waren sie immer respektvoll und freundlich gewesen; schließlich hatte ihre Mutter sie gut erzogen. In den fünfziger und sechziger Jahren waren sie die ungekrönten Könige der Londoner Unterwelt gewesen, dann hatte man sie zu lebenslanger Haft verurteilt. Erst als Reggie Krebs im Endstadium hatte, ließ man ihn raus. Ein paar Wochen später war er tot.
Gill hatte John das letzte Mal auf Reggies Begräbnis gesehen, das nicht so glanzvoll war wie das seines 1996 verstorbenen Zwillingsbruders Ron. Als man Ronnie Kray zur letzten Ruhe getragen hatte, war das gesamte Londoner Eastend auf den Beinen gewesen und hatte die Straßen gesäumt. Dem Gangsterkönig wurde eine finale Ehre zuteil, wie sie sonst nur Könige, Staatsmänner
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