Die Lucifer-Connection (German Edition)
Gegenwart noch besser zu machen wäre, oder welches Manna die Zukunft für sie bereithielt. Beharrlich bestätigten sie sich, welche Fehler man nie wieder machen würde. Sie wollten nicht wahrhaben, dass sie genau diese Fehler in einer Endlosschleife wiederholen mussten, um die Lernunfähigkeit ihres Universums zu bestätigen. Mal war man im Knast, mal wieder draußen. Aber man hatte seine Infrastruktur aus alten Spezis, deren Tips, Einstiegs- und Anlageangebote einen Lebensstil ermöglichten, der es ihnen gestattete, nachts um die Häuser zu schleichen und in den üblichen Kaschemmen immer ein volles Glas in der Hand zu haben. Sie fuhren entweder dicke, alte Amischlitten oder verrostete Jaguars oder BMWs; selten hatten sie genug Geld, um ihre Angeberkarren vollzutanken. Es war der Wodka, der die Verantwortung für ihr fröhliches Gelaber übernehmen musste.
„Geh, des war doch Totschlag – a Unfall, der is nur unglücklich in die Kugel grennt …“
„Was verstehstn du davon? Wias den einedraht habn, hats di no gar ned gebn.“
„Aber die schöne Marie!“
„Deine Tanz machen mi müd. Lass ihr halt a Mess’ lesn.“
„Na ja, der hat jedenfalls ausdämpft ghört.“
Gill wartete geduldig. Als der Mann vor dem Tresen das Bedürfnis nach Entleerung verspürte und in Richtung Toilette wankte, rückte Roland näher.
„Servas, Gill, schön, dassd wieda do bist. Trink ma wos. Mogst a Oide? Wir habn drei Wuchtschnitzln.“
„Ich brauche was anderes.“
„Brauchst a Krachn? Guat, bring i da.“
„Jetzt.“
Roland verschwand durch die Tür zur Küche. Bis auf das Klicken der Billardkugeln war es ungewöhnlich still. Nach ein paar Minuten kam er mit einem Päckchen in einer Einkaufstüte zurück. Er schob es über den Tresen.
„Vierhundert. Mit allem.“
Gill zog ein Bündel Geldscheine hervor und schälte neun Fünfziger ab. „Trink einen auf meinen Geist. Bin nie hier gewesen.“
„Eh kloa.“
Gill verließ das Lokal und sah sich wieder genau um. Trotz aller Erfahrung bemerkte er Tank nicht, der sich in einem toten Winkel positioniert hatte. Er ging zurück zum Westbahnhof, die belebte Mariahilfer Straße hinunter. Hier war es leicht, jemanden unbemerkt zu beobachten. Dann bog er plötzlich rechts in die Esterhazygasse ab. Nur wenige Leute. Vor einem Schallplattengeschäft mit alten Vinylscheiben im Fenster blieb er stehen und versuchte erneut einen Verfolger im spiegelnden Schaufenster zu entdecken. Da sein Schatten Gills Vorlieben kannte, hatte er damit gerechnet und wieder einen toten Winkel aufgesucht. Er wartete, bis Gill weiterging und in die Damböckgasse einbog. Als Gill am Haus des Meeres vorbeikam, war er wieder hinter ihm. Gill warf einen Blick auf das imposante Gebäude: ein ehemaliger Feuerleitturm, der seit 1957 zu einem maritimen Zoo ausgebaut worden war. Von der Dachterrasse im neunten Stock hatte man einen schönen Ausblick über die Stadt. Er ging bis zur Gumpendorfer Straße, schlug ein paar Haken und kam an einen kleinen Platz mit Biergarten. Gill war sich sicher, dass ihm niemand gefolgt war.
An einem der altmodischen Kaffeehaustische saßen der Fichtl und Dr. Trash und schwiegen sich an. Zwischen den beiden Freunden herrschte Eiszeit. Der Doktor warf dem Fichtl vor, dass er sich von der hobbykriminalistischen Website zurückgezogen hatte, die er zuvor jahrelang in gnadenloser Selbstausbeutung geführt hatte. Die Situation war um so austriakischer komisch, da der Doktor bei dem Unternehmen seit Jahren selbst nur einen besseren, aber stets schlecht gelaunten Frühstücksdirektor gab. Der gutaussehende, charmante und immer offene Fichtl zog das ländliche Dasein außerhalb Wiens vor. Den düster-melancholischen Doktor, eine Art Spätpunk-Qualtinger, könnte man hingegen nur operativ aus der Hauptstadt entfernen.
Sie begrüßten einander, dann kam Gill kam sofort zur Sache: „Ich brauche ein Safehouse. Absolut geräuschgedämpft und diskret. Eines, das noch nie genutzt wurde. Und das noch heute.“
„Na, Gott sei Dank fragst du“, sagte der Doc sardonisch. „Wir sitzen hier schon seit Stunden und überlegen, wie wir dir eine Freude machen können.“
„Er ist immer noch wahnsinnig“, warf Fichtl nervös ein, obwohl er genau wusste, dass sowieso immer was ging, wenn man wollte. „Wie sollen wir denn das so schnell hinkriegen?“
„Irgendwas. Für höchstens zwei Wochen. Geld spielt keine Rolle.“
„Aber es scheint ihm gut zu gehen, unserem Freund …“
Der Doc
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