Die Lucifer-Connection (German Edition)
falsche Erinnerung.“
„In ein paar Meilen biege ich in den Dschungel ab zu einem Kamajor-Stützpunkt. Habe da was zu erledigen.“
„Ich hoffe, das dauert nicht zu lange.“
„Schlafen Sie etwas. Sie werden es brauchen. Wenn ich Sie am Ziel abgesetzt habe, kriegen Sie nicht mehr viel Schlaf – wenn überhaupt.“
Das endlose Plätschern des Regens war einlullend. Gill machte es sich im Toyota so bequem wie möglich und schlief zu den Klängen von John Leyton augenblicklich ein.
42
Alexa dämmerte fiebrig. Sie ahnte nicht, dass Gill nur noch wenige Kilometer von ihr entfernt war und sich Kilometer um Kilometer an sie heranfraß. Sie tastete in ihrem Kopf nach Gedanken, die ihr Hoffnung spenden konnten. War sie wirklich noch in dieser Welt? Schmorte sie in der Hölle? Wenn das die Welt war, was konnte die Hölle noch Bedrohliches bieten? So lebte der Rest der Menschheit. Opfer oder Täter. Opfer und Täter. Opfer sind Täter, und Täter sind Opfer. Oder? Nein. Sie war jetzt und hier und morgen nur Opfer. „Auch das Kommende wird ein Morgen haben, das es zum Gestern macht“, dachte sie verwirrt.
43
Gill erwachte, als Roelf anhielt und ausstieg. Um sie herum war dichter Dschungel. Nur eine mit Palmenblättern überdachte Hütte stand auf der schmalen Lichtung.
Roelf sprach mit einem Urwalddämon. Der Mann mit dem dunklen, misstrauischen Gesicht trug Shorts und eine mit Muscheln bestickte Jacke. Über seinen umgeschnallten Patronengurten baumelten Halsbänder aus Knochen, an denen kleine Spiegel und ein Kompass hingen. Auf dem Kopf saß eine Mütze aus Affenfell. In den Händen hielt er eine alte Schrotflinte und einen Säbel. Er schien einem anderen Universum entstiegen zu sein und strahlte eine archaische Kraft aus. Ein Kamajor-Medizinmann, Angehöriger des Mende-Stammes. Gill stieg aus und ging zu den Männern.
„Was machen wir hier?“
Dunkel und tief bohrten sich die Augen des Kamajors in Gill. Sie stammten wirklich aus einem anderen Kosmos, brannten sich in Gills Psyche, erforschten seine Seele. Gill musste seine ganze Willenskraft einsetzen, um die dunkle Wolke abzuwehren, die sich in ihm ausbreiten wollte.
„Er soll meine Wasserflasche segnen.“
„Was?“
„Ich hatte eine Feldflasche von einem Kamajor-Medizinmann. Er sagte, sie würde zu tropfen anfangen, bevor es zu Kampfhandlungen kommt. Und verdammt, es stimmte. Ich habe sie seither immer bei mir getragen. Sie bewahrte mich und meine Leute davor, in RUF-Hinterhalte zu geraten.“
„Das ist nicht Ihr Ernst.“
Der Kamajor starrte Gill bedrohlich an und verstärkte seine Bemühungen, in ihn einzudringen. Gill ließ ihn abprallen und konzentrierte sich angespannt auf Roelf.
„Das ist Afrika. Zauberei funktioniert in Sierra Leone. Warum, weiß ich nicht – genausowenig, wie ich weiß, wie ein Flugzeug funktioniert. Irgendwie funktionieren die Naturwissenschaften eben. Genauso wie Zauberei. Der meiste High-Tech-Kram läuft im Dschungel nicht. Magie schon.“
„Machen Sie schnell. Ich will weiter … Wieso brauchen Sie eine neue Wasserflasche?“
„Die alte ist zerschossen worden.“
Roelf hielt eine Stange Zigaretten hoch. „Geh nie ohne Geschenk zum Haus eines Afrikaners.“
Er gab dem Kamajor die Zigaretten. Der Mann war sichtlich erfreut. Zusammen gingen sie in die Hütte. Gill sah ungläubig hinter ihnen her. Da drin würden sie also ihren Juju abziehen, für eine Wasserflasche. Immerhin brauchten sie ihn nicht als Menschenopfer dazu. Unwillkürlich dachte er, dass Afghanistan doch ein recht zivilisierter Ort war. Allah hatte es wenigstens nicht mit Juju. Offiziell war die Mehrheit der Sierra Leoner Mohammedaner. Die zweitgrößte Glaubensgruppe waren angeblich Christen. Ein weiteres Wunderwerk der Statistik. Gill zündete sich eine Zigarette an, er hatte sich mit Pall Mall eingedeckt. Reval waren nicht zu kriegen. Er starrte auf die Packung und las „In Hoc Signo Vinces“. Aber genau. Dann konnte ja nichts schiefgehen. In den Bäumen hatten gerade noch die Affen geschrieen. Jetzt war es totenstill. Der Juju hatte begonnen. Gill meinte entfernt Trommeln zu hören. Er schwamm richtungslos in der Zeit …
Er war wie in Trance, als Roelf und der Kamajor aus der Hütte kamen. Der unheimliche Mann stellte sich vor Gill und murmelte Worte in einer unbekannten Sprache. Seine seltsamen Klamotten stanken fürchterlich. Gill wollte ihn zurückstoßen, als Roelf seine Hand festhielt.
„Sie dürfen ihn keinesfalls berühren.
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