Die Lucifer-Connection (German Edition)
weißen Bwanas.“
„Er ist ein Kind.“ Gill war über sich selbst erstaunt. Sein Mitgefühl überraschte ihn. Wurde er langsam altersweich? Oder war es dieses furchtbare Land, das ihn aus der Bahn warf?
„Ein Kind? Ich habe seine Kindlichkeit hinreichend erlebt. Er ist kein Kind. Er ist ein Monster. Man hat ihn von klein auf ans Töten und Quälen gewöhnt. Er steht seit Jahren unter Drogen. Seine einzige Schule war Überfalltaktik und abends Action-Videos. Für die menschliche Rasse ist er verloren. Wie soll er mit seinen Erinnerungen leben können? Ihn zu erschießen ist ein humaner Akt. Finden Sie sich endlich damit ab, dass Sie mitten in die Hölle gereist sind. Nur das Klima ist beschissener.“
„Wir nehmen ihn mit und setzen ihn in der Nähe seines Dorfes ab.“
„Das ist sein sicheres Todesurteil.“
„Ich will seine Geschichte hören.“
Roelf resignierte. „Sie bezahlen. Tun Sie, was Sie wollen. Aber behalten Sie ihn scharf im Auge.“
***
Und Chema erzählte: Die Rebellen waren im Morgengrauen aus dem Nichts gekommen, hatten wild um sich geschossen und die Menschen aus den Hütten getrieben. Unter der tobenden Soldateska sah Chema Jungen in seinem Alter, kleiner als die Kalaschnikows, die sie hinter sich herzerrten. Wild in die Luft ballernd, tänzelten die Kinder durch das Dorf und trieben die Bewohner zusammen. Sie ließen sie kleine Papierschnipsel aufheben, auf denen verschiedene Tötungs- und Foltermethoden standen: Kopf abhacken, Hände abhacken, erschießen. Ein kleiner Junge wurde an einem Spieß zu Tode geröstet, weil er sich geweigert hatte, seine Mutter umzubringen. Chema war etwa fünf Jahre alt, als sie vor seinen Augen seine Mutter und seine Schwestern vergewaltigten. Das Flehen seines Vaters war vergeblich. Dann wollten sie dem Vater die Hände abhacken. „Bitte nicht. Bitte hackt mir nicht die Hände ab. Verschont mich, bei Jesus“, hatte Chemas Vater gebettelt. Der RUF-Führer hatte gelacht und gesagt: „Wenn Jesus hierher kommt, hacke ich ihm auch die Hände ab.“
Sie hatten den verängstigten Jungen aus der Ecke gezerrt und ihn dazu gezwungen, seinem Vater die Hände abzuhacken. Das gelang erst nach mehreren Versuchen. Sie erschossen Chemas Schwestern und schubsten den Häuptling zum Dorfplatz, wo er kastriert wurde. Seine Genitalien wurden herumgezeigt und von einer Gruppe singender Rebellen verspeist. Wenn sie jemanden amputierten, verlangten sie, dass er dazu lachte. Sie hackten einem Mann den Kopf ab und zwangen seine Mutter, dem Schädel die Brust zu geben. Bei Schwangeren wetteten sie auf das Geschlecht der Ungeborenen, bevor sie den Fötus herausschnitten. Sie zwangen Väter dazu, ihre Töchter zu vergewaltigen, Söhne, es mit ihren Müttern zu treiben. Mit heißen Bajonetten brannten sie Chema und einigen anderen Jungen, die sie mitnahmen, die Initialen R-U-F in die Haut. Nun waren sie für immer gezeichnet. Sie konnten die RUF nie verlassen, denn Soldaten der Armee oder Zivilisten würden sie sofort töten, wenn sie das Brandzeichen sahen.
Nachdem sie das Dorf geplündert hatten, zogen die Rebellen mit ihren neuen Rekruten und den jungen Mädchen ab. Die Kindersoldaten, die gemordet und gefoltert hatten, sangen und schossen in die Luft. Einige klatschten in die Hände und wiederholten immer wieder singend dieselben Verse: „We want peace. We have come for peace. Sankoh is our father.“ Durch den Busch zogen sie zu einem Camp. Die jungen Mädchen wurden zu Sexsklavinnen, ihren Mammy Queens. Ein Mädchen, das einen festen Freund oder Mann fand, hatte Glück. Die anderen waren für regelmäßige Gruppenvergewaltigungen da. Chema wurde zur Kampfmaschine ausgebildet. Jeden Morgen bekam er vor dem Frühstück Drogen. Am liebsten hatten sie Brown Brown, eine Mischung aus Kokain und Schießpulver.
Die Kindersoldaten waren wichtig für die Strategie der RUF. Sie waren furcht- und seelenlos, befolgten die widerwärtigsten Folterbefehle und konnten sich wegen ihrer Größe hinter den kleinsten Büschen verstecken, ganz nah an den anzugreifenden Dörfern; so konnten die Überfallenen kaum ausmachen, woher die Schüsse kamen. Sie waren der gefürchtetste Teil der RUF. Also setzte die Armee ebenfalls Kindersoldaten ein, die sie genauso manipulierte wie die Rebellen ihre. Sie drehten ihre Joints mit Bibelseiten, um „mehr Jesus in sich reinzukriegen“. Dieser Jesus verkörperte irgendeine kosmische Macht. War er nicht ein Gott, den man ans Kreuz geschlagen hatte und
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