Die Lucifer-Connection (German Edition)
der dann durch mächtigen Juju in den Himmel aufgestiegen war?
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Nachts sahen sie sich beim Marihuanarauchen amerikanische Gewaltpornos an. Rambo war ihr Idol. Oder sie schauten Videoclips der Gangsta-Rapper, deren Tanzbewegungen sie nachmachten. Bald war ihr Blick nur noch ein irres Starren aus toten Augen, und sie brüsteten sich nach jedem Überfall mit ihren Gewalttaten. Ein Kamerad von Chema trug immer eine Umhängetasche mit sich, in der er Kinderhände und Füße aufbewahrte. Der Kommandeur hatte gesagt, wenn die Tasche voll wäre, würde er befördert werden. Ein Mann, dem Chema die Arme abgehackt hatte, war mit blutenden Stümpfen hinter ihm hergelaufen und hatte geschrieen: „Töte mich. Du hast mich bereits getötet. Töte mich. Töte mich endgültig!“ Damit er ihm nicht weiter folgen konnte, hatte er ihm ein Bein abgehackt. Junge Mädchen wurden nackt auf den Boden gebunden. Ein fetter, weiblicher Soldat aus Chemas Gruppe, nur mit rotem BH, Höschen und Gummistiefeln bekleidet, prüfte lachend mit dem Finger ihre Jungfräulichkeit. Die als solche Identifizierten wurden für die Kommandanten reserviert. Manchmal gossen sie Gefesselten Benzin in den Hals, schlitzten ihre Bäuche auf und legten Feuer in den Eingeweiden. Neue Rekruten mussten ihre Eltern töten oder verstümmeln. Die kleinen Killer bekamen Namen wie „DJ Splatter“, „Commander Killthemall“ oder „General Rape“.
„Diese Typen sind militärische Genies. Vor ein paar Wochen konnten sie noch keine Kalaschnikow halten und dann waren sie plötzlich Colonels oder Generals. Das hat nicht mal Patton geschafft“, zischte Roelf und spuckte seine Zigarre durchs Fenster.
Nach den Massakern gab es oft Suppe mit menschlichen Organen. Kannibalismus stand hoch im Kurs. Bei den Kindern wurden systematisch und schnell sämtliche zivilisatorischen Schichten abgetragen. Lediglich Markenklamotten der westlichen Welt konnten sich behaupten. Sie trugen Designerjeans, Turnschuhe von Nike oder Puma und T-Shirts mit Photos ihrer HipHop-Idole. Die Bilder aus dem Herz der Finsternis zeigten nur, dass es dort letztlich um dieselben Ziele ging wie im scheinbar zivilisierten Westen: um Gier nach Statussymbolen, um materiellen Besitz, um die Macht, andere zu unterdrücken und zu tyrannisieren. Die Steinzeitkrieger mit ihren Boss-T-Shirts riskierten nur etwas mehr als die Börsianer oder Konzernmanager, die sie in den Medien mit wohligem Grusel betrachteten, während sie den steigenden Wert von Offshore-Ölaktien im Auge behielten.
Einige der Erwachsenen der RUF kleideten sich beim Überfall in Flip-Flops, Hochzeitskleider und Halloween-Masken. Manche trugen Perücken, Haarteile und Duschhauben, die sich im Dauerregen bewährt hatten. Die Lippen grellrosa geschminkt, sahen sie aus wie Kreaturen aus einem Bild von Hieronymus Bosch. Das Cross-Dressing hatte taktische und abergläubische Hintergründe. Ein aggressiver, bewaffneter Mann in grotesker Kleidung mit Frauenperücke verblüffte und schüchterte ein. Die Kostümierung machte unverwundbar. Wenn man gleichzeitig zwei Identitäten annahm, war eine Kugel viel zu verwirrt, um sich für ein Ziel zu entscheiden – und traf daher nicht. Vielleicht war dieser idiotische Aberglaube gar nicht so weit entfernt von Tarnuniformen und den bemalten Gesichtern westlicher Soldaten.
So hatte Chema jahrelang gelebt. Er konnte kaum schlafen. Alpträume quälten ihn. Dann nahm er Drogen, es ging ihm besser, und er konnte wieder töten und foltern. Er wusste weder, wie alt er war, noch hatte er eine Ahnung, welches Jahr man schrieb. Chema weinte, als er das erzählte. Der Pickup fraß sich langsam über die löchrige Urwaldpiste. Gill plapperte nach, was er in einem Artikel über die Rehabilitierungs-Camps gelesen hatte: „Es war nicht deine Schuld. Man hat dich dazu gezwungen. Du kannst nichts dafür.“ Es klang hohl und falsch.
„Einige Kinder haben sich lieber töten lassen, statt ihre Eltern zu massakrieren“, knurrte Roelf. „Was sagen Sie denen? Sollen diese kleinen Killermaschinen zusammen mit ihren Opfern in einer Reha-Station Mikado spielen? Das wäre doch was: Amputierte spielen Mikado. Klingt nach einer erfolgreichen Fernsehsendung. Da können die Krüppel zusehen, wie ihre Folterer von sentimentalen weißen Arschlöchern für ihre Taten gehätschelt werden …“
„Was wäre aus Ihnen … was wäre aus uns geworden, wenn wir hier geboren worden wären?“
„Das ist mir scheißegal. In meinem Leben
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