Die Lucifer Direktive
von dem ins Auge fallenden Kontrast zwischen seinem aschgrauen Haar und dem dichten, pechschwarzen Schnurrbart absah.
Er schlenderte langsam zum Bus hinüber, wollte keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich lenken. Aber da er der letzte Fahrgast war, mußte der Busfahrer die Tür noch einmal öffnen und sein Ticket einsammeln.
Er nahm einen der vorderen Plätze, damit er den jungen lockenhaarigen Mann, dessen Leben er eben gerettet hatte, im Spiegel beobachten konnte.
Es würde eine lange Reise werden.
17
Der Bus brachte Dan Lennagin gerade rechtzeitig zum Logan Airport, um noch die 16-Uhr-Maschine von Boston nach Washington zu erwischen. Er zahlte mit einem Teil des Bargelds, das er gegen den D-Phi-Scheck erhalten hatte und ging dann gleich an Bord. Sein einziges Gepäck war der braune Umschlag, der sorgsam gefaltet in der Innentasche seiner Jacke steckte. Das war seine Lebensversicherung, an die man nicht so leicht herankam. Wenn er erst in Washington war, würde sie ihm zur Glaubwürdigkeit verhelfen – ein Beweisstück zu seiner Geschichte.
Er bekam einen Platz am Mittelgang und lehnte sich behaglich zurück; er fühlte sich ziemlich sicher. Er hatte die Geschehnisse noch nicht ganz verarbeitet. Als er die Ereignisse des Tages noch einmal Revue passieren ließ, überkamen ihn wieder eisige Furcht und Schmerz. Verborgene Kraftreserven hatten ihn bis hierher kommen lassen. Er hatte keine Zeit zum Nachdenken gehabt. Jetzt bekam er sie. Es gab einige Probleme zu berücksichtigen.
Er hatte sich bereits dafür entschieden, dem FBI seine Story und den Umschlag anzuvertrauen. Oft genug hatte er gelesen, daß das Bureau von allen drei bekannten Geheimdiensten über die beste Selbstkontrolle verfügte und von daher am ehesten frei von einer Infiltrierung durch Lucifer war. Außerdem schien es ihm aussichtsreicher, im J. Edgar Hoover Building jemanden zu finden, der ein offenes Ohr für ihn hatte. Irgendwie konnte er sich nicht vorstellen, mit der CIA, dem Secret Service oder der NSA zu sprechen – und was die letzten beiden betraf, so wußte er nicht einmal, wie er Kontakt zu ihnen aufnehmen sollte.
Also würde es das FBI sein … Aber nicht ohne einige Klimmzüge. Bis er in Washington war und sich irgendwo ein Zimmer genommen hatte, würde es so gegen sieben sein. Heute noch einen FBI-Agenten zu sprechen, würde schwierig werden, und morgen war Samstag, was die Sache auch nicht erleichtern würde. Er würde sich eine Geschichte zurechtlegen müssen, irgend etwas, was sie dazu bewegte, ihn ohne große Umschweife vorzulassen und ihn nicht für einen Spinner zu halten – wonach er sich zweifellos anhörte. Er würde sie dazu bringen, ihm einen Termin zu geben.
Dann würde er ihnen den Umschlag zeigen, Bathgates Vermächtnis.
Der Jet erhob sich in die Lüfte. Die Chef Stewardeß beendete ihre Anweisungen für den Notfall, ehe Dan überhaupt mitbekommen hatte, daß sie dabei war.
Er fühlte sich mies. Sein Magen drehte sich, und in seinem Kopf ging alles durcheinander. Er hielt die Augen geschlossen, aber immerzu lächelte Peter Brent ihn an, und wenn er ihn verdrängt hatte, tauchte Major Bathgate mit seinem verzweifelten Flehen und den herausquellenden Eingeweiden auf. Sein Bruder hatte ihm erzählt, wie es zuerst in Nam gewesen war, ehe man sich daran gewöhnte. Wie die Kumpel von Landminen zerfetzt oder ihnen das Hirn von Heckenschützen weggepustet wurde. Und das einzige, was einen am Weinen hinderte, war die Erkenntnis, daß man es leicht selber gewesen sein könnte oder daß man als nächster drankommen konnte. Das war die Welt, in die er hineingeraten war. Dennoch hätte er gerne geweint.
Einige Minuten, nachdem der Jet seine Flughöhe erreicht zu haben schien, schob die Stewardeß mit ihrem Wagen durch den Gang und fragte, ob er etwas trinken wolle. Er bat um ein Gingerale, ergänzte die Bestellung dann um einen Whiskey für zwei Dollar extra. Nur ein Drink, beruhigte er sich. Vielleicht würde er helfen, sich zu entspannen.
Während die Stewardeß seinen Drink mixte, drängte sich ein unauffälliger männlicher Passagier, der drei Plätze hinter Dan gesessen hatte, an ihr vorbei zur Herrentoilette durch. Ihr einstudiertes ›Entschuldigen Sie‹-Lächeln hinderte sie daran zu bemerken, daß der Mann eine kleine Pille in den Plastikbecher fallen ließ. Als sie nach unten blickte, war sie bereits verschwunden, als hätte sie überhaupt nie existiert. Sie wollte Dan den Drink reichen.
Ehe er ihn
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