Die Lucifer Direktive
Bahnhofstraße, von wo aus man über den Zürichsee blickte. Ohne warten zu müssen, fand er am Flughafen ein Taxi, das ihn dorthin brachte.
Er hatte das preiswerteste zur Verfügung stehende Zimmer gebucht, aber der Umrechnungskurs verwirrte ihn. Im Hotel half ihm der stellvertretende Geschäftsführer, einen Teil seiner amerikanischen Barschaft in Franken umzutauschen, und begleitete ihn persönlich zum Fahrstuhl. Dan genoß die Höflichkeit mehr, als er hätte ausdrücken können, obwohl er sie nicht recht verstand. Seine Kleidung paßte nicht ins noble Baur au Lac, ebensowenig wie sein Alter und sein nicht vorhandenes Gepäck. Vielleicht lag es daran; er war eine Rarität. Dadurch würde er auch leichter ausfindig zu machen sein – womit er das falsche Hotel gewählt hätte.
»Wenn ich noch etwas für Sie tun kann, Monsieur, zögern Sie bitte nicht, nach mir zu rufen«, erbot sich der schnauzbärtige Assistant Manager.
»Ich komme vielleicht darauf zurück«, sagte Dan und versuchte, dem Mann ein Trinkgeld zu geben.
Der Manager wehrte ab. »Das ist nicht nötig.«
»Aber …«
»Sie sind unser Gast, Monsieur. Höflichkeit ist inbegriffen.«
Dan zwang sich zu einem Lächeln und trat in den Lift. Wohl doch das richtige Hotel.
Aber jetzt war es Zeit, über Lutz Stettner nachzudenken.
Dan brauchte nicht lange, um festzustellen, daß der Bahnhofsplatz wahrscheinlich die einzige schäbige Gegend in ganz Zürich ist. Er war von heruntergekommenen Gebäuden gesäumt, die allenfalls als Unterstand für Leute dienten, die auf die öffentlichen Transportmittel warteten. Der Taxifahrer fuhr daran vorbei, wendete und hielt dann auf der gegenüberliegenden Seite vor einem Haus, das abseits der anderen stand.
»Sind Sie sicher, daß Sie hierhin wollen?« fragte er in ordentlichem Englisch.
»Ja«, sagte Dan und zählte die Franken ab, um ihn zu bezahlen.
Die Frage war nicht unberechtigt gewesen. Bahnhofplatz Nummer 17 erwies sich als das schäbigste Haus von allen, schmalbrüstig, mit Fenstern, die entweder kaputte Scheiben hatten oder vernagelt waren. Die Ziegel, aus denen es errichtet war, sahen eher schwarz als rot aus. Das Gebäude wirkte, als stünde es kurz vorm Umkippen.
Dan bezahlte den Fahrer und stieg aus, wobei er sich aufmerksam umsah. Dieses ehemalige Depot am Bahnhofsplatz gäbe tatsächlich ein prima Waffenlager ab, vor allem für einen Mann wie Lutz Stettner, der immer auf dem Sprung war. Wer würde schon mitten in Zürich so eine Einrichtung erwarten? Menschen aller Altersstufen bevölkerten den Platz, warteten auf den Bus oder die Straßenbahn, während sie ab und zu einen Blick gen Himmel warfen, um zu sehen, wie das Wetter würde. Niemand näherte sich dem Lagerhaus; man respektierte das Schild in fremder Sprache, die Dan nicht lesen konnte. Ein Junge warf einen Stein durch ein noch ganzes Fenster, und flüchtete um die Ecke. Dan konnte kaum glauben, daß sich jemand drinnen befand, der den Krach gehört haben mochte. Hatte Stettner seinen Geschäftssitz bereits woandershin verlagert? Er schob den Gedanken beiseite und ging zur Eingangstür.
Das Problem bestand natürlich darin, daß Dan zwar gute Gründe hatte, Stettner zu sehen, aber nicht umgekehrt. Die sich anbietende Lösung war, als – wohlhabender – Interessent der Ware aufzutreten, die Lutz Stettner anzubieten hatte. Aber dazu brauchte er einen Bürgen, einen in der Welt der Terroristen wohlgeachteten Kontakt, der seine Geschichte glaubwürdig klingen ließ. Dan hatte bereits einen unfreiwilligen gefunden: Renaldo Black.
Er marschierte durch den frischen Wind von Zürich einen schmutzigen Weg entlang und stieg ein paar rachitische Stufen zur Tür hinauf. Es gab keinen Klopfer oder eine Klingel, daher hämmerte Dan mit der Faust gegen das Holz. Als sich nichts rührte, klopfte er fester.
Schritte näherten sich und verharrten. Die Tür öffnete sich ächzend einen Spalt, und ein dunkles Augenpaar lugte hervor.
»Ich bin auf der Suche nach Lutz Stettner«, sagte Dan mit einer Gelassenheit, die ihn selber überraschte.
»Nie von ihm gehört«, erwiderte der Besitzer der Augen barsch auf Englisch.
»Mr. Black hat mir was anderes erzählt.«
»Black?«
»Renaldo Black.«
Der Spalt vergrößerte sich ein wenig. Der Besitzer der dunklen Augen war dünn und hohlwangig und trug schmutzige Arbeitskleidung. Er stank nach Schweiß.
»Was hat das alles zu bedeuten?« erkundigte sich der Mann.
»Ich habe mit dem Handel von
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