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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Sind deine Erinnerungen so brisant, dass du sie in einer Geheimschrift verfassen musstest? Oder so … delikat?
    Nachdenklich griff Steven zu der Locke, die neben den Fotografien in dem hölzernen, mit schwarzem Tuch ausgeschlagenen Schatzkästchen lag. Das mit einer Schnur zusammengebundene Haarbüschel musste vor langer Zeit einmal tiefschwarz gewesen sein.
    Schwarz wie die Haare des Königs.
    Steven trank seinen Wein aus und legte Tagebuch, Fotografien und Haarlocke wieder zurück in den Behälter. Dann machte er eine zweite Flasche auf, um noch ein wenig nachzudenken.
    Es sah ganz so aus, als wäre der Inhalt der Kiste weitaus mehr wert als zunächst angenommen.
    Die Kopfschmerzen am nächsten Morgen verrieten Steven, dass der Montepulciano ein paar Prozente zu viel gehabt hatte. Er brauchte einige Zeit, bis er den Radiowecker gefunden hatte, der fröhlich Mozarts kleine Nachtmusik dudelte. Mit einer gezielten Handbewegung schlug Steven Wolfgang Amadeus tot, richtete sich ächzend auf und fuhr sich durch die verstrubbelten grauen Haare. Es gab Tage, an denen man besonders deutlich spürte, dass man mittlerweile vierzig war.
    Auf seinem Schreibtisch neben dem Bett stand noch immer das hölzerne Schatzkästchen, das ihn durch seine Träume begleitet hatte. Er erinnerte sich vage an einen riesigen Königsmantel, der ihn im Traum zu ersticken drohte. Auch Männer mit schwarzen Kapuzen waren aufgetaucht, die ihn mit glühend heißen Fingern betastet hatten.
    Steven rieb sich den Schlaf aus den Augen, stand humpelnd auf und begab sich in die Küche, wo sich das schmutzige Geschirr der vergangenen Tage stapelte. Vorsichtig nahm er eine frühe Ausgabe des ›Simplicissimus‹ vom Tisch und blies ein paar Croissantkrümel von der Titelseite. Die Zeitschrift war kurz vor dem Ersten Weltkrieg erschienen und hatte etwas Besseres verdient, als mit Marmelade eingesaut zu werden. Leise summend füllte der Antiquar die Espressokanne bis zum Rand mit frisch gemahlenem Kaffee und drehte am Radiosender, bis er irgendein klassisches Konzert fand. Die Musik beruhigte ihn augenblicklich. Zwar schmerzten noch immer seine wunden Knie, und in seinem Kopf klopfte jemand von innen an die Stirn, aber wenigstens waren die düsteren Träume verschwunden. Steven massierte sich die Schläfen und lauschte den tiefen klagenden Klängen eines Cellos, während er nachdenklich an seinem stark gezuckerten Espresso nippte. Irgendwie hatten ihm die gestrigen Ereignisse – erst der Besuch dieses Trachtenheinis und dann die Kapuzenmänner – ganz schön auf den Magen geschlagen. Und dann war da natürlich noch das Kästchen mit seinem offenbar brisanten Inhalt. Warum nur hatte ihn allein dessen Anblick so aus der Fassung gebracht?
    Nun, er würde es heute im Laden genauer unter die Lupe nehmen. Sollte dieser Marot tatsächlich ein delikates Geheimnis mit ins Grab genommen haben, würde Steven ein paar Telefonate machen, gutes Geld verdienen, und Frau Schultheiß konnte ihre Boutique dann seinethalben im heruntergekommenen Münchner Hasenbergl aufmachen. Als Kenner der antiquarischen Literaturszene wusste Steven, dass immer wieder Gerüchte aufgetaucht waren, König Ludwig II. könnte homosexuell sein. Ihm selbst war das zwar ziemlich egal, aber er war sicher, dass manche Zeitung einen hübschen Batzen Geld für einen entsprechenden Beweis zahlen würde. Geld, mit dem man die Miete bestimmt eine ganze Weile lang zahlen konnte.
    Nach einer langen, fast kochend heißen Dusche zog er einen neuen braunen Cordanzug samt weißem Hemd und Tweedfliege an, packte das Kästchen wieder in die Ledermappe und machte sich auf den Weg ins Münchner Westend. Die Regenwolken waren über Nacht verschwunden, die Kastanienbäume in den Biergärten leuchteten rot und gelb, und die Menschen, die ihm entgegenkamen, zeigten freundliche Gesichter. Als Steven jetzt über die von Radfahrern und Passanten bevölkerte Theresienwiese schlenderte, konnte er sich gar nicht vorstellen, dass ihm hier erst wenige Stunden zuvor ein paar Typen mit Henkerskapuzen einen Heidenschrecken eingejagt hatten. Die fast noch sommerliche Wärme und die milden Sonnenstrahlen trugen dazu bei, dass sein Kopfweh fast vollständig verschwand, seine Laune besserte sich mit jedem Schritt. Es war einer jener Morgen, der einen überaus angenehmen Tag versprach.
    Doch bereits als Steven noch fünfzig Meter von seinem Antiquariat entfernt war, ahnte er, dass heute eher einer der beschissensten Tage des ganzen

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