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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Jahres werden würde.
    Eine kleine Gruppe Neugieriger stand vor einem Haufen Scherben, die einmal das Schaufenster seines Ladens gewesen waren. Einzelne Bücher lagen draußen auf der Straße, die ledernen Einbände wie tote labbrige Flügel von sich gestreckt. Pergamentseiten waren herausgerissen und mit Schlamm bespritzt. Doch das war nichts zu dem Chaos, das sich Steven darbot, als er durch das zerborstene Fenster ins Innere des Antiquariats blickte.
    Es sah aus, als hätte ein mittleres Erdbeben gewütet.
    Eines der großen Regale war umgestürzt, Bücher, Karten, Stiche und Folianten bedeckten den Boden wie ein Meer aus Papier. Steven erblickte das erst kürzlich erworbene Schachbuch aus dem 18. Jahrhundert, dem jemand den Lederrücken der Länge nach aufgeschlitzt hatte. Molières Dramen zierte der schmutzige Abdruck eines Stiefels; andere Bücher hatten sich in ihre Einzelteile aufgelöst, waren zerknüllt oder zerrissen. Gerade eben wirbelte ein Windstoß ein paar zerfetzte Seiten wie welkes Herbstlaub hoch. Der Mahagonitisch im hinteren Raum des Ladens war das einzige Möbelstück, das noch an seinem Platz stand. Die Szene war so entsetzlich, so unwirklich, dass Steven eine Weile lang wie versteinert in den Laden starrte. Es war seltsamerweise der Gedanke an ein einzelnes Buch, der ihn wieder zum Leben erweckte.
    O Gott, nicht die Grimm’schen Hausmärchen. Nicht die Märchen!
    Ohne auf die Umstehenden zu achten, stolperte er auf die Eingangstür zu und schloss sie auf. Er versuchte sich in den Laden zu schieben, wurde aber durch die vielen Bücher, die von innen gegen die Tür drückten, daran gehindert. Eine Zeitlang verfolgten die Zuschauer gebannt, wie der Antiquar Steven Lukas verzweifelt gegen eine Masse bedrucktes Papier und Pergament ankämpfte. Sein aussichtsloses Bemühen wurde erst unterbrochen, als sich eine Hand auf seine Schulter legte.
    »Ist das Ihr Laden?«
    Die Polizistin vor ihm war noch jung, vielleicht Mitte zwanzig, und sie wirkte aufrichtig besorgt. Ihr älterer Kollege wartete gelangweilt im Auto, das mit eingeschaltetem Blaulicht auf dem Bordstein parkte.
    Als Steven nur stumm nickte, fuhr die Beamtin sachlich fort: »Wir werden den Einbruch aufnehmen müssen. Wobei das hier eher nach ein paar jugendlichen Rowdys aussieht, die auf Krawall aus waren.«
    Oder nach Frau Schultheiß, die ihre Modeboutique gar nicht schnell genug kriegen kann!, schoss es Steven durch den Kopf.
    War es wirklich möglich, dass sie so weit ging? Hatte sie ein paar Schläger angeheuert, die den Umzug ein wenig beschleunigen sollten?
    Dieser Gedanke beschäftigte ihn so sehr, dass er die nächste Frage der Polizistin zunächst überhörte.
    »Können Sie denn schon feststellen, ob etwas fehlt?«, wiederholte die Frau sanft. »Geld? Wertgegenstände?« Sie zog einen Notizblock hervor.
    Steven blickte auf das Chaos von zerrissenen, verdreckten, besudelten und aufgeschlitzten Büchern und hörte sich selbst leise kichern.
    »Verzeihung, das war eine dumme Frage«, sagte die Polizistin mitfühlend. »Wir werden den Tatort jetzt festhalten und die Anzeige aufnehmen. Dann werden Sie vermutlich erst mal aufräumen müssen.«
    Sie klopfte ihm auf die Schulter, dann ging sie mit dem Notizblock in der Hand hinüber zu ihrem Kollegen, der mittlerweile mit lauter amtlicher Stimme die Neugierigen vertrieb.
    Steven schwieg und starrte weiter auf seinen zerstörten Laden. Er musste sich korrigieren: Dieser Tag war nicht der beschissenste des Jahres, er entpuppte sich immer mehr als einer der beschissensten Tage seines ganzen bisherigen Lebens.

3
    H aben Sie geöffnet?«
    Steven Lukas unterbrach seine Aufräumarbeiten und sah hinüber zu der zerbrochenen Schaufensterscheibe, die er nur notdürftig mit Klebeband abgedichtet hatte. Mittlerweile war es wieder Abend geworden, ein unangenehm kalter Wind pfiff durch die Ritzen und wehte immer wieder einzelne Buchseiten vom Boden auf.
    Zwischen den netzartigen schwarzen Streifen war das Gesicht einer jungen Frau zu sehen. Sie hatte brünette Haare und trug zu einem giftgrünen Kopftuch eine schwarze 5oer-Jahre-Sonnenbrille, die ihr erstaunliche Ähnlichkeit mit Audrey Hepburn verlieh. Steven hatte die grazile Filmdiva immer verehrt, doch jetzt war er einfach nicht in der Stimmung, gepflegte Konversation mit ihrem Double zu machen.
    »Vorübergehend geschlossen«, brummte er und fuhr fort, die verschont gebliebenen Bücher zurück in die Regale zu stellen. Die zerfetzten Exemplare

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