Die Ludwig-Verschwörung
Blut in den Adern gefrieren.
Ich sah, wie Ludwig erstaunt die Augen aufriss. Einen Moment lang hielt er sich noch an Gudden fest, dann sackte er wie ein Sack Kohlen zusammen und ging zu Boden. Der Arzt stieß kleine hohe Laute des Schreckens aus, die mich beinahe an die eines Kindes erinnerten. Entsetzt trat er einen Schritt zur Seite und starrte auf den Körper des Königs. Auf dem Rücken des weißen Mantels waren zwei schwarze Löcher zu sehen, aus denen helles Blut sickerte.
»Sieht ganz so aus, als wäre ich gerade noch rechtzeitig gekommen.«
Die knarrende Stimme ließ mich unwillkürlich zusammenzucken. Sie war aus einem Gebüsch gekommen, das nur unweit meines eigenen Verstecks lag. Nun richtete sich dahinter eine hagere Gestalt auf und trat hinaus auf den Seeweg, in der rechten Hand hielt sie ein ungewöhnliches Gewehr mit einem keulenartigen schwarzen Schaft. Beim Anblick des Attentäters musste ich mir auf die Zunge beißen, um nicht laut aufzuschreien.
Es war Carl von Strelitz.
»Vielleicht war der König ja doch verrückter, als wir am Ende angenommen hatten«, knurrte der preußische Agent und legte das Gewehr zur Seite. »Was für ein jähzorniger Riese!« Mit routinierten Bewegungen wälzte er den schweren Körper Ludwigs auf den Rücken und fühlte an dessen Halsschlagader den Puls. Schließlich nickte er zufrieden.
»Auftrag ausgeführt. Er ist tot.« Lächelnd stand von Strelitz auf und wandte sich an den Irrenarzt. »Wissen Sie, was ich hätte machen sollen?«, sagte er mit tonloser Stimme. »Einfach im Gebüsch sitzen und abwarten. Vermutlich hätte der König Sie erwürgt und wäre dann vor Verzweiflung ins Wasser gegangen. Eine saubere Sache. Auf der anderen Seite …« Er sah hinüber zum See. »Das Wasser ist hier nur hüfttief. Das Ertrinken hätte wohl nicht geklappt. Nun ja, so ist es auf alle Fälle sicherer.«
»Mein Gott, Sie haben ihn erschossen!«, krächzte Gudden. »Ich bin vor Schreck fast gestorben! Ich dachte, dass Sie Chloroform …«
»Dass ich den König hübsch betäube und dann in den See werfe?« Von Strelitz machte eine abfällige Handbewegung. »Nein, nein. Der Auftrag war klar. Den König ohne jegliches Risiko ausschalten. Das habe ich getan.«
»Aber die Schusswunden!«, flüsterte Gudden. »Und der Lärm! Man wird uns auf die Schliche kommen.«
»Nicht, wenn Sie sich jetzt genau an die Absprachen halten.« Von Strelitz zog seine Taschenuhr heraus und warf einen kurzen Blick darauf. »Es ist jetzt Punkt sieben Uhr. Die Wärter und Gendarmen haben Anweisung, sich noch mindestens eine halbe Stunde vom Tatort fernzuhalten und erst dann Alarm zu schlagen. Außerdem habe ich eine Girandoni-Windbüchse benutzt.« Anerkennend sah er auf die Waffe zu seinen Füßen. »Eine großartige Erfindung! Kein Pulverrauch, keine verräterischen Patronenhülsen, kein Mündungsfeuer, und der Krach hält sich auch in Grenzen. Wir haben also noch genug Zeit. Und jetzt helfen Sie mir gefälligst.«
Carl von Strelitz begann, dem toten König den Mantel aufzuknöpfen und ihn auszuziehen. Die blutverschmierten Kleidungsstücke legte er sorgfältig auf einen Haufen, wobei er vorher noch Ludwigs Taschenuhr aus der Weste fischte. »Schade um die schöne Uhr«, murmelte er. »Nun, dann wird die Nachwelt wenigstens den genauen Todeszeitpunkt Seiner Majestät erfahren.«
Dann holte er hinter einem Gebüsch frische Gewänder hervor, die Uhr befestigte er an einer neuen Weste.
»Damit werden wir zumindest den ersten Augenzeugen einen nassen Freitod Seiner Majestät vorgaukeln können«, erklärte von Strelitz und griff nach einem sauberen Leinenhemd. »Vor der Obduktion sollten Holnstein und Lutz aber noch das eine oder andere Sümmchen für die Herren Doktoren in München springen lassen. Wie ich gehört habe, werden alle zu einem Schwur verpflichtet.« Er schüttelte abfällig den Kopf. »Wenn Sie mich fragen, das können Sie vergessen. Im Zweifelsfall helfen immer nur Geld und Drohungen, mit feierlichen Sprüchen können Sie sich kein schmuckes Landgut bauen.«
»Aber … aber das ist ja ein dunkler Wintermantel, den Sie da haben«, stotterte Gudden und zeigte auf das neue Kleidungsstück in den Händen des Agenten. »Sehen Sie doch, der König trägt einen hellen …«
»Verflucht, man hat mir gesagt, er würde einen dunklen Mantel tragen!«, zischte der preußische Agent und fuhr fort, den Leichnam Ludwigs von Blut zu reinigen und ihm das frische Hemd und eine Weste überzuziehen.
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