Die Ludwig-Verschwörung
zischte er. »Ich muss Euch nichts versprechen. Was glaubt Ihr, wer Ihr seid?«
Demütig neigte ich mein Haupt. »Majestät, es ist doch nur, weil …«
»Schweigt, bevor ich bereue, Euch überhaupt hierher mitgenommen zu haben!«
Ohne ein weiteres Wort stand der König auf. Sein Stuhl fiel krachend um, und Ludwig kletterte die Leiter nach unten. Er würdigte mich keines Blickes mehr und verschwand schließlich im Schloss.
Ich schlug mir gegen die Stirn und verfluchte mich selbst für meine Unbesonnenheit. Ludwig war bekannt dafür, dass er zu seinen Untergebenen ein beinahe brüderliches Verhältnis pflegte, das aber von einer Sekunde zur anderen in Eiseskälte umschlagen konnte. Ich hätte es wissen müssen! Trotzdem war ich unvorsichtig gewesen und hatte damit meinen Auftrag gefährdet. Ich wagte gar nicht daran zu denken, was Graf Dürckheim sagen würde, wenn ich ihm von meinem Fauxpas erzählte. Wie sollte ich den König jetzt noch überzeugen können, nach München zu gehen?
Zähneknirschend hangelte ich mich die Leiter hinab und überlegte, wie ich Ludwig wieder milder stimmen konnte. Mein ganzes Versteckspiel, meine ganze Flucht – vielleicht war alles umsonst gewesen!
»Seien Sie nicht traurig«, hörte ich plötzlich eine helle Stimme hinter mir. »Manchmal ist der König wie ein zorniges Kind. Seine Launen sind wie Gewitter. Sie kommen plötzlich, aber sie verschwinden auch genauso schnell.«
Erschrocken drehte ich mich um und schaute direkt in das Gesicht des schwarzhaarigen Mädchens, bei dessen Anblick mir vorhin der Atem gestockt hatte. Jetzt, aus der Nähe, schien die junge Magd sogar noch schöner als von der Plattform des Baumes aus.
»Oh … ich wusste nicht …«, stammelte ich. Sie schüttelte lachend den Kopf.
»Der Streit war nicht zu überhören. Machen Sie sich nichts draus, Sie sind noch glimpflich davongekommen. Andere hat der König schon von dort oben ins Brunnenbecken gestoßen.«
Ich schmunzelte, während ich sie weiter verstohlen musterte.
»Sie scheinen ihn ja gut zu kennen, den Herrn König. Gewährt er Ihnen denn Audienz?«
Wieder ertönte ihr glockenhelles Lachen, und ich spürte, wie mein Herz schneller schlug. »Sparen Sie sich das förmliche Sie, mein Herr«, sagte sie kichernd. »Ich bin nichts weiter als die Tochter eines einfachen Bauern und Holzschnitzers aus Oberammergau.« Schlagartig wurde ihre Stimme wieder ernst, eine kleine Zornesfalte erschien auf ihrer Stirn. »Aber Sie haben recht, ich kenn ihn gut, den König. Jedenfalls besser als so mancher feine Herr Minister, Hofsekretär oder Staatsrat. Für euch aus München ist Ludwig doch nur ein Träumer, nicht wahr? Ein widerspenstiger Sonderling, der nicht das macht, was ihr ihm vorschreibt.« Sie deutete auf die Wälder, die sich hinter dem Schloss bis in die Berge erstreckten. »Aber fragen Sie die einfachen Leute hier im Graswangtal, dann wird man Ihnen was anderes erzählen. Der König spricht mit uns, fragt nach unserem Befinden. Und wenn einer seiner Stallburschen Geburtstag hat, dann tischt er ihm eigenhändig ein Festtagsmahl auf.«
Ich schwieg und betrachtete bewundernd die junge Frau, die so beherzt gesprochen hatte. Sie besaß ein feingeschnittenes Gesicht mit hohen Wangenknochen und kluge Augen, die so gar nicht zu einer Dienstmagd passen wollten. Hätte sie nicht das einfache Leinenkleid und die Schürze getragen, ich hätte sie für eine Hofdame oder Bürgerliche gehalten. Überhaupt hatte ihr ganzes Auftreten etwas verspielt Damenhaftes, sie besaß eine natürliche Eleganz, die den meisten mir bekannten Frauen aus besserem Hause fehlte.
»Der König tat vorher recht daran, mich zurechtzuweisen«, erwiderte ich schließlich zögernd. »Ich war ein Dummkopf. Vielleicht wäre es ratsam, wenn mir öfter mal jemand den Kopf waschen würde.«
»Erwarten Sie bloß nicht, dass ich das tue. Zwei Lausbuben reichen mir schon.« Sie zwinkerte mich an, und ich fühlte plötzlich einen leichten Schauer auf meinem Rücken. Dieses Mädchen schaffte es tatsächlich, mich allein mit ihren Blicken in einen tumben stotternden Bauern zu verwandeln.
»Zwei, äh … Lausbuben?«
»Nun, der König und der freche Schlawiner, der dort hinten die Spatzen vom Baum schießt.«
Sie zeigte auf eine Gruppe niedriger Büsche, aus denen gerade ein Schwarm zornig tschilpender Vögel emporflog. Ein etwa sechsjähriger Bub mit ungezähmten schwarzen Locken und in kurzen Lederhosen lief ihnen schreiend mit einer Schleuder
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