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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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nach. Es war der Knabe, den ich bereits von der Plattform aus gesehen hatte.
    »Ist das Ihr … ich meine dein Kind?«, fragte ich und musterte sie überrascht. Sie sah so jung aus, dass ich gar nicht auf die Idee gekommen war, der Junge könnte ihr eigener sein. Als sie schließlich nickte, spürte ich einen feinen Stich in der Magengegend.
    »Der Leopold«, sagte sie leise, und ein Schatten legte sich über ihr Gesicht. »Sechs Jahre wird er nächsten Sommer. Er ist mein Augenstern, wenn ich ihn auch manchmal zum Teufel wünsch.«
    Gemeinsam gingen wir Richtung Brunnenbecken, aus dessen Mitte noch immer die Fontäne gen Himmel schoss. Winzige Wassertropfen benetzten mein Gesicht und bildeten über unseren Köpfen einen Schleier, in dem sich ein Regenbogen bildete. Das Mädchen hatte sich derweil nach unten gebeugt, um einen Blumenstrauß zu pflücken. Ein Stück weit entfernt zielte der Junge mit seiner Schleuder auf ein paar Krähen, die sich auf dem Haupt einer griechischen Dianastatue niedergelassen hatten.
    »Er scheint ein echter Lausbub zu sein, dein Junge«, wandte ich mit halbernster Stimme ein. »Dem muss der Vater wohl oft die Leviten lesen. Wo ist er überhaupt, der Herr Papa?«
    Schweigend fuhr die junge Magd fort, Margariten, Glockenblumen und roten Klatschmohn abzureißen. Erst nach einer Weile wandte sie sich zu mir um und schüttelte traurig den Kopf.
    »Einen Vater hat der Leopold nie gehabt. Der König war so freundlich, uns aufzunehmen.«
    »Das … das tut mir leid«, erwiderte ich und schämte mich gleichzeitig, dass ich so etwas wie Erleichterung empfand. »Ein Unfall?«
    »Nein, es ist nur, dass … Leo, geh sofort da runter!«
    Die letzten Worte hatte sie in Richtung des Buben gerufen, der mittlerweile auf dem Rand des Brunnenbeckens balancierte. Achselzuckend sah sie mich an, wenigstens lächelte sie nun wieder.
    »Ich muss dem frechen Burschen mal wieder das Leben retten. Hat mich gefreut, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben. Darf ich den Namen des werten Herrn erfahren?«
    »Marot«, stammelte ich. »Theodor Marot. Ich bin der Assistent des königlichen Leibarztes.«
    »Marot.« Sie legte den Kopf schräg und blinzelte in die Sonne. »Ein schöner Name, und ein schöner Mann, der ihn trägt.« Mit einem leichten Knicks verabschiedete sie sich von mir, während in ihren Augen ein leiser Spott leuchtete. »Mein Name ist Maria. Stets zu Euren Diensten, der Herr.«
    Dann drehte sie sich um und rannte auf den gegenüberliegenden Bassinrand zu.
    »Maria ist auch … ein schöner Name«, murmelte ich und winkte ihr hinterher, doch sie hatte bereits ihren Jungen gepackt und war zwischen den Büschen verschwunden.
    Noch immer benommen und müde von meinem zweitägigen Ritt ließ ich mich am Stamm der Linde hinabgleiten und starrte hinauf zu dem weißen Venustempel.
    »Maria«, flüsterte ich.
    All mein Zorn, mein Unglück, der Streit mit Ludwig schienen für kurze Zeit vergessen. Ich schloss die Augen und gab mich angenehmen Tagträumen hin, in denen Maria mit mir durch die Wiesen rannte, so wie sie es vorher mit dem Jungen getan hatte. Eine Art Schleier legte sich über mein Bewusstsein, und ich musste mir selbst eingestehen, dass ich mich wider jegliche Vernunft Hals über Kopf verliebt hatte.
    Ich kann wirklich nicht bei klarem Verstand gewesen sein, denn das Nächste, was ich tat, war zugegebenermaßen kindisch – und es würde mich die Zuneigung meines Königs kosten, sollte er jemals davon erfahren. Ich nahm mein Messer aus der Hosentasche und begann den heutigen Tag und den Namen des klugen schwarzhaarigen Mädchens in die Königslinde zu kratzen.
    MARIA 10.   9.   1885
    Als ich damit fertig war, fuhr ich mit meinem Zeigefinger die Buchstaben nach und flüsterte leise ihren Namen. Wie konnte ich damals ahnen, dass dieses Mädchen unser aller Schicksal noch weit über den Tod hinaus bestimmen würde!
    RIJKHQR, XEXMNPE, NACTAPE

14
    E in Klopfen an der Tür weckte Steven. Erschrocken fuhr er im Bett hoch und wusste im ersten Moment nicht, wo er war.
    Die Guglmänner!, fuhr es ihm durch den Kopf. Sie kommen, um sich das Buch zu holen!
    »Wer … wer ist da?«, krächzte er.
    »Verzeihung, Zimmerservice!«, flötete eine sanfte Stimme. »Ich komme später wieder.«
    Verschlafen tastete Steven nach seiner Armbanduhr neben dem Bett, sie zeigte 9 Uhr 30. Im gleichen Augenblick fiel ihm wieder ein, wo er sich befand und warum er hier war. Die Erinnerung trug nicht dazu bei, seine Laune

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