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Die Luecke im Gesetz

Die Luecke im Gesetz

Titel: Die Luecke im Gesetz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Lenssen
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mehreren Jahren gefasst werden.
    Für Herbert S. sprach, dass er weder dem Gericht noch der Staatsanwaltschaft gegenüber etwas Falsches über die Tathergänge in dieser Nacht berichtet hatte.
    Merke: Wer sich nicht erinnert, muss nicht unbedingt ins Gefängnis.
3. Lügen ist erlaubt
    Fast jeder kennt diese Belehrung:
    »Sie sind verpflichtet, als Zeuge die Wahrheit zu sagen. Sollten Sie die Unwahrheit sagen, so müssen Sie mit einer Bestrafung rechnen. Im Zweifel kann dies eine Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten sein.«
    Dies ist die Pflicht eines Zeugen, aber wie steht es mit dem Angeklagten? Muss der die Wahrheit sagen?
    Nein, der Angeklagte darf lügen. Das bedeutet, dass Sie in einem Gerichtsverfahren, in dem Sie als Angeklagter sitzen, zu keinem Zeitpunkt die Wahrheit sagen müssen. Sie können das »Blaue« vom Himmel herunterlügen.
    Im Straßenverkehr gilt das Gleiche. Wenn die Polizei Sie anhält und Sie fragt, ob Sie Alkohol getrunken haben, dürfen Sie dies verneinen. Sie dürfen auch lügen, wenn Sie gefragt werden, ob Sie angeschnallt waren oder ob Sie telefoniert haben. Der Gesetzgeber erkennt dies als ein Recht des Angeklagten an.
    Aber: Lügen will gelernt sein, nicht umsonst gibt es das Sprichwort: »Lügen haben kurze Beine.« – Denn ob kurz oder lang, meist kommt die Wahrheit ans Licht.
    Merke: Als Angeklagter oder Beschuldigter dürfen Sie lügen.
4. Ungeschmückt vor Gericht
    Der junge Mann, der vor mir saß, war wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Er schilderte mir einen Angriff, dem er sich zur Wehr gesetzt und deshalb in Notwehr gehandelt hätte. So wie mein Mandant mir den Fall schilderte, glaubte ich ihm. Auch machte er ansonsten einen sehr friedfertigen Eindruck, obwohl sein äußeres Erscheinungsbild dagegensprach. Er war mit Springerstiefeln und einem T-Shirt mit der Aufschrift »Fuck the Army« bekleidet. Am kleinen Finger und am Ringfinger der linken Hand trug er zwei, an der rechten Hand drei sehr auffällige Silberringe. Er trug Ohrringe, einen Nasenring und hatte ein Piercing im Mund. Auch die linke Augenbraue zierte ein Stück Silber. Ich sagte ihm, dass ich von ihm erwarte, dass er für die Gerichtsverhandlung auf sämtlichen Schmuck und die Springerstiefel verzichtet. Das tat er dann auch.
    Nur zwischen drei und fünf Prozent aller Verfahren vor deutschen Strafgerichten enden mit einem Freispruch. Das Verfahren gegen meinen Schmuckliebhaber war eines davon. Ob das Ergebnis auch so ausgefallen wäre, wenn er bei der Verhandlung seinen Schmuck getragen hätte, ist nicht mit Sicherheit zu bejahen. Die Grundlage eines jeden Urteils ist die Überzeugung eines Richters. Eine solche Überzeugung ist immer subjektiv. Und wer sagt nicht, dass ein paar Silberringe eine negative Auswirkung auf diese subjektive Wahrnehmung eines Richters haben können?
    Merke: Kleider machen Leute (auch vor Gericht) – immer noch.
5. Der ausgerastete Jugendliche
    Tim W. war eines Abends vor einer Diskothek provoziert worden. Er hatte schon ein wenig getrunken und dann einfach die Beherrschung verloren. Bislang war ihm so etwas noch nicht passiert. Er hatte einfach zugeschlagen. Seine Faust hatte das Opfer dabei so unglücklich getroffen, dass dessen Nasenbein brach. Das Opfer stürzte zu Boden, Blut spritzte und die Umherstehenden schrien auf ihn ein. Die Polizei kam, auch der Krankenwagen. Von der Polizei wurde er abgeführt und vernommen. Jetzt hatte er die Anklageschrift vor sich liegen, die ihm eine schwere Körperverletzung vorwarf.
    Er hatte Angst um seine Zukunft, stand vier Wochen vor dem Abi­tur und wollte demnächst sein Studium beginnen. Ich fragte ihn, was er denn nach der Tat alles unternommen hätte? Ob er bereits Kontakt mit dem Opfer aufgenommen, ein Schmerzensgeld bezahlt, oder ob er sich beim Opfer entschuldigt hätte? Tim W. erklärte zu meiner Überraschung, dass er bereits einen Entschuldigungsbrief geschrieben hätte. Der sei jedoch mit der Ablehnung der Entschuldigung vom Opfer zurückgekommen. Auch hätte er dem Opfer bereits ein Schmerzensgeld von 3.000,- € angeboten. Im Internet hätte er sich informiert und herausgefunden, dass 3.000,- € bei einem Nasenbeinbruch durchaus angemessen seien.
    Richtig war die Einschätzung von Tim W., was die Höhe des Schmerzensgeldes anbelangte. Falsch war jedoch seine Auffassung, dass er es bei diesem einmaligen Versuch der Entschuldigung und der Schmerzensgeldzahlung auf sich beruhen lassen könnte.
    Also setzten wir einen Brief

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