Die Luecke im Gesetz
»gnadenloseste Bundesland« zu sein mit einer Freispruchquote von 0,5 % seit 2006, im Jahre 2011 sank die Quote sogar auf 0,4 %. Das Saarland und Nordrhein-Westfalen liefern einen Mittelwert von 3,2 % beziehungsweise 3,3 % im Jahre 2011. Weniger milde zeigt sich Bremen mit 1,8 %. Die mildesten Richter finden sich in den neuen Bundesländern Sachsen und Thüringen mit 4,1 % beziehungsweise 4,6 %. Der Spitzenreiter ist aber Hamburg mit einer 5 %-Freispruchquote im Jahr 2011.
Prozentuale Freisprüche der letzten Jahre in Deutschland
Thüringen
2007
3,35 %
2008
3,51 %
2009
3,88 %
2010
4,60 %
Sachsen
2007
3,7 %
2008
4,4 %
2009
4,9 %
2010
4,9 %
2011
4,1 %
Mecklenburg-Vorpommern
2001
1,9 %
2004
2,8 %
2006
3,9 %
2007
3,6 %
2008
2,7 %
2010
2,7 %
2011
2,9 %
Bremen
2007
1,3 %
2008
1,6 %
2009
1,8 %
2010
1,6 %
2011
1,8 %
Hamburg
2002
3 %
2003
3 %
2004
3 %
2005
3 %
2006
3 %
2007
4 %
2008
4 %
2009
4 %
2010
4 %
2011
5 %
Saarland
2005
3,0 %
2006
3,1 %
2007
2,5 %
2008
2,9 %
2009
2,7 %
2010
3,4 %
2011
3,2 %
Bayern
2009
2,7 %
2010
2,6 %
2011
2,8 %
Nordrhein- Westfalen
2000
3,1 %
2001
3,0 %
2005
2,9 %
2006
3,1 %
2010
3,3 %
2011
3,3 %
Niedersachsen
2000
0,4 %
2001
0,5 %
2002
0,5 %
2003
0,6 %
2004
0,5 %
2005
0,6 %
2006
0,5 %
2007
0,5 %
2008
0,5 %
2009
0,5 %
2010
0,5 %
2011
0,4 %
Baden-Württemberg
2010
2,3 %
2011
2,4 %
8. Geständnis ohne Urteil
Michael M. kam aus dem Libanon. Er war zum christlichen Glauben konvertiert und hatte deshalb einen christlichen Namen angenommen. Seiner Familie wurde im Libanon übel mitgespielt. Sein Vater war dort ermordet worden, und seinem Bruder hatte man mit einer Pistole die Nase weggeschossen. Michael M. war daraufhin den flüchtenden Tätern bis nach Deutschland gefolgt. Nach mehreren Jahren hatte er sie endlich ausfindig gemacht und sie in einen Hinterhalt gelockt. Er hatte vorgegeben, einen Gebrauchtwagen kaufen zu wollen und in einer dunklen Seitenstraße auf die Mörder seines Vaters gewartet. Er stand unter dem Schein einer Laterne, damit man ihn von der Ferne sehen konnte. Als der Pkw mit den Tätern vorfuhr, war er mit einem Kapuzenpulli getarnt auf die Straße getreten. Der Beifahrer ließ die Scheibe runter, Michael M. zog eine Pistole, hielt sie in den Wagen hinein und zielte genau. So genau, dass er dem Täter, der seinen Vater ermordet und seinem Bruder die Nase weggeschossen hatte, ebenfalls die Nase weggeschossen hätte. Doch das Opfer drehte während des Schusses den Kopf, die Kugel schlug im Auge ein und trat an der Hinterseite des Schädels wieder heraus. – Es war unglaublich, dass das Opfer überlebte.
Es gab ein Verfahren wegen versuchten Totschlages. Dabei war Michael M. allerdings nur verdächtigt worden, die Tatwaffe besorgt zu haben. Der Angeklagte war sein Bruder, der aber freigesprochen wurde, weil man ihm die Tat nicht nachweisen konnte.
Nun saß Michael M. vor mir und erklärte, dass er die Tat vor einer Woche bei der Polizei gestanden hätte. Er bat mich, seine Verteidigung zu übernehmen. Ich ließ mir die Akten kommen und erkannte gleich, dass die von ihm geschilderte Tat zum Akteninhalt passte. Ich rief daraufhin den ermittelnden Staatsanwalt an und fragte, wie er vorzugehen gedenke: Ob er das Verfahren zur Anklage bringen wolle oder nicht. Der Staatsanwalt erbat sich Bedenkzeit.
Drei Wochen später erreichte mich eine Einstellungsnachricht. Die Einstellung eines Verfahrens wegen versuchten Mordes oder Totschlags erlebt man als Strafverteidiger nicht allzu häufig. Der Staatsanwalt war jedoch der Auffassung, dass die Tat weder dem Bruder von Michael M. noch einem anderen Täter, sprich meinem Mandanten, nachzuweisen war. Das war im ersten Verfahren, als gegen den Bruder von Michael M. ermittelt wurde, klar festgestellt worden. Warum sollte ein Geständnis meines Mandanten jetzt etwas daran ändern, denn dieses Geständnis könnte auch falsch sein. Da man also diese Tat keinem Täter nachweisen konnte und der Staatsanwalt nicht davon überzeugt war, dass das Geständnis meines Mandanten wahr war, wurde keine Anklage erhoben.
Merke: Deutsche Staatsanwälte sind nur dann gehalten, eine Anklage zu erheben, wenn sie von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt sind. Und Gerichte müssen nur dann einen Täter verurteilen, wenn sie sich sicher sind, dass er der Täter ist. Haben sie Zweifel, wird der Angeklagte freigesprochen oder aber die Anklage wird gar nicht erst erhoben.
9. Parkgebühr gespart
Marco R. empfand die erhöhten Parkgebühren in den Innenstädten
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