Die Lüge im Bett
immer stärker wird. Und sie kann nichts dagegen tun! Und eigentlich will sie auch nicht. Nic bespricht mit ihr und Leo den vor ihnen liegenden Tag. Er hört ihr zu und lächelt sie an, aber sie spürt eine Distanz, die sie schmerzt und doch herausfordert. Vom Frühstücksbrötchen ißt sie nur eine Hälfte. Sie hat noch immer drei Kilo zuviel auf den Rippen.
Bernd stößt dazu. Er hat ein Interview für den Nachmittag arrangiert.
»So, und was?« fragt Nina mit spöttischem Unterton.
Eine Politikerin, die in Rio unter anderem für die Jugendarbeit zuständig sei.
»Nun, vielleicht kann sie mir ja auch etwas über die graue Eminenz erzählen«, meint Nina.
Bernd äußert sich nicht dazu, aber es ist ihm anzusehen, daß ihm Ninas eigenmächtige Recherchen nicht recht sind. Unwillkürlich fragt sich Nina, was Suzanna ihm wohl über den nächtlichen Dreh erzählt hat. Oder ob er da auch seine Finger im Spiel hatte?
Nic hat im Frühstücksraum den Monitor aufgebaut. Gemeinsam sichten sie das Material. Gespenstisch, ängstigend und doch faszinierend. Der Ton ist erstaunlich gut, obwohl Tom natürlich mault, man hätte ihn besser aussteuern müssen. Und Herbert mäkelt am Licht herum.
Nur Gerd lehnt sich grinsend zurück. »Ich finde, ihr macht das prima alleine. Dann kann ich ja heute zum Strand!«
Nic und Nina gehen anschließend noch mal das gesamte Band durch, schreiben sich die Time-Codes der besten Szenen heraus und nehmen die Zeiten dieser Sequenzen.
»Schau dir das an«, Nina ist von ihrer Sache begeistert, »das ist guter Stoff, das trägt eine Geschichte für sich!«
Er schreibt sich die Sekunden heraus.
»Wenn du Pech hast, bleiben für diese Sache hier mal gerade vier Minuten!« sagt er schließlich.
»Das Material trägt mindestens für zwanzig!«
»Sicher. Aber dann wird es ein ganz anderer Film.«
Sie denkt an ihre nächtlichen Versprechungen und sieht zu, wie er die Sekunden addiert. Notfalls macht sie aus dem Material eben einen zweiten Film. Nic schreibt kleine, akkurate Zahlen. Und duftet aus seinem kurzärmeligen Leinenhemd nach herber Männerseife. Nina rückt ein bißchen näher. Unverhohlen genießt sie es, so nahe mit ihm zusammenzuarbeiten. Und selbst ein Blinder muß doch erkennen, daß sie die ideale Partnerin für ihn wäre. Intelligent, kompetent, gutaussehend. Na ja, jedenfalls kann sie bis drei zählen, und einen Buckel hat sie auch nicht.
»Mist«, sagt er, »jetzt habe ich meinen Rechner im Zimmer vergessen!«
»Soll ich ihn schnell holen?« fragt Nina rasch.
»Wenn es dir nichts ausmacht? Ich will aber nicht, daß du ...«
Nina springt auf. »Nix Problema?« Sie greift nach seinem Zimmerschlüssel, der auf dem Tisch liegt, »bin gleich wieder da!«
»Er liegt im Schrank!«
Vor Nics Zimmertür bleibt Nina aufgeregt stehen, genießt kurz den Moment, bevor sie eintritt. Genüßlich schließt sie auf und geht hinein. Sein Zimmer, sein Privatgemach. Wenn das kein Vertrauensbeweis ist? Zuerst geht sie ins Bad. Was benutzt er? Eine Sonnencreme liegt da, eine Tagescreme für - sie nimmt sie in die Hand - empfindliche Haut. Glättet kleine Fältchen. Na, wenn das nichts ist, er achtet auf sich. Wie stand jetzt die Dose? Mit dem Etikett nach vorn oder nach hinten? Na, egal, dann schaut sie nach seinem After-shave. Es duftet herb. Sie sollte sich die Marke gleich merken, dann kann sie ihm vielleicht später einmal das Duschgel dazu schenken. Grinsend geht sie an seinen Schrank, öffnet ihn, schnuppert hinein. Alles duftet nach ihm, herrlich. Sie streicht zärtlich mit der Hand über die sorgfältig zusammengelegten T-Shirts. Dann schließt sie die Schranktür wieder, schaut sich noch mal im Zimmer um, findet kein aufgestelltes Foto von irgendeiner Geliebten und geht zufrieden wieder hinaus. Erst auf dem Gang fällt ihr siedendheiß ein, daß sie das Wichtigste beinah vergessen hätte: den Rechner.
Nachmittags drehen sie das Interview, das Bernd organisiert hat. Offenbar hat die Dame nicht die geringste Absicht, von ihrer vorbereiteten Rede auch nur einen Millimeter abzurücken. Als sie endlich ihren Schlußsatz gesprochen hat und auch gleich darauf aufsteht, versucht es Nina mit Suzannas Hilfe noch einmal. »Wie steht es um die Straßenkinder in Rio? Was wird da getan? Bekommen sie Hilfe und wenn ja, welche?«
Liebend gern würde sie einen dieser scheinheiligen Politikersätze gegen die nackten, noch gestern nacht gefilmten Tatsachen stellen. Aber sie erntet nur ein
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