Die Lüge im Bett
nach der Arbeit, und dann das Vergnügen.«
Und schon beginnen sie zu drehen. Als Nic die beiden bemerkt, gesellt er sich kurz darauf zu ihnen.
»Das sind Motive, was?« meint er zu Nina.
»Doch, sicher, toll«, antwortet sie wenig begeistert.
»Brauchen wir Ton?« will Leo wissen.
Nic schaut Nina fragend an.
»Nein, Atmo reicht. Wir legen Musik oder Text darunter.«
»Gut, dann kann sich Tom ja weiter sonnen«, lacht Leo, der sich eben an Toms hellen Rücken heranpirscht. Er ist offensichtlich blitzschnell in der prallen Sonne eingeschlafen. Leo dreht drei Einstellungen von ihm. Dafür wechselt er sogar extra das Objektiv: mit Weitwinkel von den bloßen Füßen aufwärts, über die Schulter abwärts und direkt ins schlafende Gesicht mit dem blubbernden Mund.
»Das ist gemein«, rügt Nina grinsend, denn daß Tom bei der nächsten Materialsichtung mit sich selbst als Monster konfrontiert wird, ist sonnenklar.
»Jetzt müssen wir ihn aber wecken«, murmelt Nina besorgt, denn um die Shorts herum bildet sich bereits ein roter Streifen auf der hellen Haut.
»Braucht ihr mich noch?« fragt er schlaftrunken.
»Nein«, Nina deutet nach oben, »aber besorg dir besser einen Sonnenschirm, sonst leuchtest du heute abend im Dunkeln, und wir können unsere Interviews vergessen!«
Sie fangen gut eine Stunde Bilder ein, was nicht besonders schwierig ist, denn jeder setzt sich, kaum ist Leo mit der Kamera in der Nähe, gekonnt und eitel in Szene. Ein Volk von Exhibitionisten, sagt Nina zu Gerd und weiß selbst nicht recht, ob sie das verurteilen oder bewundern soll.
Gemeinsam trinken sie dann zum Abschluß eine Caipirinha. Nina ist mit sich und der Welt wieder zufrieden. Suzanna hat sich abgesetzt, Nic erzählt ihr von seinem letzten Dreh, sie lachen viel, und im Augenblick ist es Nina völlig egal, ob er allein lebt oder mit Familie oder vielleicht sogar geschieden ist.
»Der Bus!« Herbert, der auch eben erst wieder zur Truppe gestoßen ist, erspäht ihn oben an der Straße. Geschlossen gehen sie hinauf, da bleibt Nic stehen.
»Ach nein, ich glaube, ich laufe zum Hotel. Ein bißchen Bewegung tut mir gut!«
Nina verkneift sich die Frage, ob sie wohl mitgehen dürfte, denn sie spürt, daß er allein sein möchte. »Gehen wir denn alle gemeinsam Abend essen?« fragt sie locker in die Runde, hofft aber natürlich vor allem auf Nic.
Tom schaut auf die Uhr. »Das hat ja noch gut drei Stunden Zeit! Besprechen wir dann im Hotel!«
Sollte Nic dort während der nächsten drei Stunden überhaupt ankommen, denkt Nina und steigt in den Bus.
Im Hotel ist eine Nachricht für sie hinterlegt. »Tanja Tavares ist Sozialarbeiterin, sie setzt sich für Straßenkinder ein. Sie wartet auf deinen Anruf, du kannst sofort drehen: 734 99 89.«
Keine Unterschrift, kein persönliches Wort. Selbst die zwei Sätze sind mit Schreibmaschine geschrieben. Stammt das vielleicht von Suzanna, oder ist es eine Falle? Wer sollte ihr diese Falle stellen wollen? Sie fragt das Mädchen an der Rezeption, wer den Brief abgegeben habe. Nix gesehen. Aha.
Dann verlangt Nina das Telefon. Nach dem zweiten Klingeln ist eine weibliche Stimme dran: »Sim?« Nina stellt sich auf englisch vor, bezieht sich ihrer Intuition folgend auf Suzanna. Und tatsächlich wird die Stimme am anderen Ende lebhafter. »Sim, sim, Televisao alemao«, und dann spricht sie englisch weiter. Es gäbe einiges, was sie ihr erzählen könne, aber nicht am Telefon. Am besten sei es, Nina komme bei ihr vorbei.
Nina notiert die Adresse, verspricht, so schnell wie möglich zu kommen, und geht auf die Suche nach Leo. Er versorgt, wie fast zu erwarten war, gerade seine Kamera in seinem Zimmer.
»Legst du die eigentlich auch zu dir ins Bett? Schläfst du mit ihr?« will Nina frech wissen.
Aber Leo zieht nur die Brauen hoch: »Wenn du persönlich hier auftauchst, kann das nichts Gutes heißen!« Und lächelt sie verschmitzt an.
Nina schildert ihm kurz die Situation. »Machen wir jetzt einen sozialkritischen Film oder einen über brasilianische Jugendliche?« fragt er dann und zündet sich eine Zigarette an.
»Jetzt fang du nicht auch noch an!« Nina überlegt, wie sie ihn überzeugen könnte. »Mit diesen Quatschköpfen, die uns Bernd aufschwatzt, kommen wir doch auch nicht weiter. Das haben wir doch wohl schon festgestellt!«
Leo nimmt einen tiefen Zug und läßt sich aufs Bett fallen.
»Ich könnte mir Schöneres vorstellen als alte Sozialtanten abzuklappern!« Zum ersten Mal, seit sie
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