Die Lüge im Bett
seinem Kopfverband wie ein Pirat aussieht, auf sein Zimmer, trinken noch einen gemeinsamen Schluck an der schäbigen Hotelbar und gehen dann alle zu Bett. Nur Nina nicht. Sie wartet fünf Minuten, dann bewaffnet sie sich mit der Adresse und dem restlichen Geld, das sie im Zimmer aufbewahrt hat, und geht nach unten auf die Suche nach einem Taxi. Sie biegt um die erste Straßenecke, da sieht sie Nic. Er geht zielstrebig vor ihr die Straße entlang, dreht sich aber plötzlich, als hätte er ihre Anwesenheit gespürt, nach ihr um und wartet dann auf sie.
»Wo willst du denn hin?« fragt er und grinst. »Du kannst es wohl nicht lassen, was?«
»Nein, eigentlich nicht!«
»Selbst wenn du ihn sehen würdest. Du hast keine Kamera dabei. Was soll's also bringen!«
»Wahrscheinlich tu ich's nur für mich!«
»Deine Zielstrebigkeit in Ehren, aber meinst du nicht, du könntest die Nacht angenehmer verbringen?« Er macht eine weitläufige Handbewegung.
»Wie denn?« Nina schluckt. Jetzt muß es kommen!
»Gefallen dir die brasilianischen Männer nicht?«
»Zu klein, zu schmal.« Wann kapiert er es endlich?
»Tja, dann ...«
Sie stehen und schauen aneinander vorbei.
»Wo wolltest du denn hin?« fragt Nina schließlich, und in derselben Sekunde wird es ihr heiß. Zu Suzanna etwa? Ist die Migräne wieder vorbei?
»Unbestimmt .«
»Wollen wir in eine Bar? Leo hat mir erzählt, die dort drüben sei recht witzig.« Sie zeigt über die Straße auf eine grell blinkende Neonschrift.
»Ich gehe eigentlich nie in Bars!«
»Aber ich könnte etwas gebrauchen - nach dem Schrecken!«
Nic zögert. Es ist ihm anzusehen, daß er nicht begeistert ist, und Nina überlegt bereits, ob sie zu weit gegangen ist.
Da kneift er sie leicht in die Wange und grinst: »Okay, laß uns mal 'ne Mami anschauen!«
Mami? denkt Nina verblüfft, freut sich aber über die Gelegenheit, endlich einmal mit ihm allein zu sein.
Sie hat sich getäuscht. Kaum daß sie sich an das dämmerige Licht gewöhnt haben, sehen sie auch schon einige Hände, die ihnen entgegenwinken. Bis auf Leo sind alle männlichen Teammitglieder anwesend. Und der Star des Abends, ein mächtig großer und beleibter Transvestit, hat es ganz offensichtlich auf den schmalen, blonden Gerd abgesehen. Er ist das Ziel jedes Liedes, und schließlich bittet er ihn sogar auf die Bühne.
»Für einen, der eben einen Raubüberfall überstanden hat, ist das doch wirklich nur ein Klacks«, sagt er wegwerfend und versinkt im Busen der Lady.
Am Morgen zeigt sich Leo wieder einsatzbereit. Im Gegensatz zu allen anderen, die mit dicken Köpfen beim Frühstück hängen.
»Hab ich die wirklich geküßt?« stöhnt Gerd.
»Was heißt die«, tippt sich Tom an die Stirn, »den!«
»Wie fürchterlich! Mir ist jetzt noch ganz schlecht!«
»Hättest eben Milch trinken sollen«, knirscht Herbert durch die Zähne und hält sich die Stirn. »Und ich auch!«
»Das war doch überhaupt seltsam«, Nina schaut in die Runde. »Wolltet ihr nicht alle sofort ins Bett?«
»Ha, ha! Du mußt reden!« Tom schaut von ihr zu Nic und zurück und zieht die Stirn kraus.
»Ist was?« fragt Nic verwundert.
»Ich verkneife mir jeden Kommentar! Ich muß mit meinen Kräften haushalten.«
ABSCHIED
An diesem Abend streifen sie alle gemeinsam durch die Stadt. Der Hubschrauberflug war grandios. Nina saß am Fenster, Nic neben ihr, und wenn er sich an ihr vorbeibeugte, um besser sehen zu können, war nur noch dünner Stoff zwischen ihnen. Für Nina war dies der sinnlichste Flug ihres Lebens, ganz abgesehen davon, daß die Stadt von oben wirklich sehenswert war und der Pilot es ganz eindeutig darauf abgesehen hatte, dem Kameramann »Action« zu bieten. Leo hing mit einer Spezialsicherung in der offenen Tür, und Nina wagte kaum hinzusehen, so halsbrecherisch sah das aus. Sie flogen kreuz und quer über Rio, am Zuckerhut und der Christusstatue vorbei, über die Strände und den Süßwassersee Lagoa und weiter zum Tijucawald, den sie am Nachmittag noch mit dem Bus erkunden wollten. Leo war von den Luftbildern begeistert, und auch der 3000 Hektar große, vor etwa hundert Jahren künstlich angelegte Tropenwald mit seinen dunkelgrünen Schluchten und fadendünnen Wasserfällen bot noch Unerschöpfliches für sein Kameraauge.
Ninas Augen hingen indes an Nic, und als er vorschlug, den letzten Abend gemeinsam zu verbringen, traute sich Nina kaum zu atmen. Insgeheim hatte sie schon befürchtet, er würde sich mit Suzanna absetzen, um
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