Die Lüge im Bett
diese Nacht mit ihr zu verbringen. Vor allem nach ihrer geheimen Beobachtung am Nachmittag im Tijucawald. Nina hatte mit Leo den besten Winkel gesucht, um einen vom Lianendickicht fast verdeckten kleinen Wasserfall aufzunehmen, und sich dazu auf den Boden gelegt.
Aus dieser Perspektive sah sie aber auch geradewegs unter dem Bus hindurch, und dort, auf der anderen Seite in Höhe der Bustür, standen unverwechselbar Nics Beine. Während sie noch verliebt die Konturen betrachtete, kam von oben ein schmales Paar Beine dazu. Er muß Suzanna aus dem Bus gehoben haben. Die Beine standen ihr zu dicht und zu lange beieinander, es sah aus, als lägen sich die beiden in den Armen. Vor Ninas Augen spielten sich wild-romantische Szenen ab, leidenschaftliche Küsse, die Hände unter dem Pullover, verliebte Schwüre, alles Lanzenstiche direkt in ihr Herz. Sie konnte sich vor lauter Schmerz von dem Anblick kaum trennen, und als Nic und Suzanna kurz danach dicht nebeneinander und vergnügt lachend hinter dem Bus hervorkamen, war es Nina klar, daß da bereits etwas war. Oder noch in dieser Nacht kommen würde, denn Suzanna sprühte vor Lebensfreude, und Nics Gesichtszüge wirkten entspannt und glücklich. Sie hatte verloren. Alles war nur Illusion, die Seifenblase geplatzt. Nina versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber im Geiste sah sie sich diesen Abend allein im Zimmer oder mit Leo, Herbert und den anderen an der Bar verbringen. Vorausgesetzt, daß die in diesem Schlaraffenland für Männer nicht auch etwas anderes geplant hätten.
Auf Nics Anregung hat Suzanna ein Restaurant vorgeschlagen und reserviert. Einträchtig laufen sie durch die nächtlichen Straßen von Rio. Nina spricht noch einmal den Überfall an, aber Suzanna erklärt, die Ermittlungen hätten weiter nichts ergeben, der Busfahrer sei eine nicht registrierte Aushilfskraft gewesen, und auch von dem Material und den Männern fehle bisher noch jede Spur. So etwas sei nicht unüblich in Rio, damit müsse man immer rechnen.
Alle nicken und lassen das Thema auf sich beruhen.
Nur Nina grübelt vor sich hin. Für sie steht das alles in einem direkten Zusammenhang: der Termin, Suzannas plötzliche Migräne, der Überfall!
Sie will von Suzanna noch einige Hintergründe erfahren. Und die Gelegenheit dazu ist günstig. Leo hat Nic mit Beschlag belegt, sie gehen noch einmal alles Filmmaterial durch und überlegen, ob sie vielleicht noch einen wesentlichen Aspekt vergessen haben. Und Herbert, Tom und Gerd sind hinter ihnen, unterhalten sich über ein offenbar hochwichtiges Fußballspiel, das an diesem Abend in München ausgetragen wird.
Nina schließt zu Suzanna auf, die ihr freundlich zunickt, und fragt scheinbar gleichgültig nach Bernd.
»Er wird euch morgen am Flughafen verabschieden«, lächelt Suzanna.
Darauf könnte Nina gut verzichten. Aber er muß seiner Aufgabe als Korrespondent nachkommen, wenn er sich zumindest formal dem Sender gegenüber nichts zuschulden kommen lassen will. Alles andere kann er ja als Hirngespinste von Nina auslegen.
»Willst du mir nicht noch etwas über Senhor Ferreira erzählen?« fragt Nina unvermittelt.
Suzanna geht langsamer und schaut Nina von der Seite an.
»Was soll ich dir über ihn erzählen?«
»Beispielsweise, warum er dieses Rollkommando auf uns gehetzt hat! Das war kein Zufall, Suzanna, das weißt du so gut wie ich!«
Suzanna antwortet nicht darauf, sondern ruft statt dessen:
»Nic, warst du schon einmal bei einer Wahrsagerin?«
Was soll das jetzt, fragt sich Nina. Nic dreht sich nach den beiden um und lacht: »Nein, Gott behüte, ich bin nicht abergläubisch!«
Er braucht Suzanna nur anzuschauen, und schon lacht er, denkt Nina gallig. Richtig kindisch ist das!
»Weiter vorn, kurz vor dem Restaurant, gibt es eine Wahrsagerin, die unter den Insidern einen sehr guten Ruf hat. Aber es ist ein bißchen gespenstisch.«
Nic zögert.
»Prima«, sagt Nina schnell, bevor Suzanna auf die Idee kommt, sich mit Nic die gemeinsame Zukunft vorhersagen zu lassen, »klasse Idee, laßt uns doch alle zusammen gehen!«
Suzanna nickt. »Ich muß nur fragen, ob sie für so viele Zeit hat!« Sie läuft schnell voraus, verschwindet in einem alten Haus. Nina und die anderen schlendern hinterher, bleiben dann vor der dunklen Eingangstür stehen. Es dauert eine Weile, bis Suzanna wieder herauskommt. Herbert, Tom und Gerd verabschieden sich, sie wollen für »Hokuspokus« kein Geld ausgeben, Leo klopft sich vielsagend auf den Bauch und
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