Die Lüge im Bett
SPD-Kongreß nach Düsseldorf zu schicken, wo die Genossen diskutieren. Ich könnte mir vorstellen, daß Sie eine kleine Hilfeleistung gut gebrauchen können. Jetzt brauchen Sie die Liste nur noch auszudrucken. Und daß Sie sie jetzt schon haben, ist sogar noch besser, dann können Sie sich heute nacht damit beschäftigen!«
Nina holt tief Luft. Also hatte sie richtig vermutet. Sven will sie auflaufen lassen.
»Warum tun Sie das?«
Nadine steckt die Diskette in ihre Jackentasche, wiegt den Kopf. »Sagen wir mal, weil ich unfaires Verhalten nicht mag!«
Nina schaut ihr direkt in die Augen. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich meine, danke schön ist eigentlich zuwenig!«
»Vergessen Sie es einfach ... Wenn Sie es erst morgen beim Einschalten entdeckt hätten, hätten Sie sich ja auch nicht bedanken können. Bei wem auch!« Sie streckt ihr die Hand entgegen. Nina ergreift sie.
»Und warum so heimlich?« will sie wissen.
Nadine macht ein paar Schritte zur Tür hin, dreht sich aber nochmals nach ihr um. »Weil ich nicht der Typ rettender Engel bin. Das verträgt sich nicht mit meinem Ruf und wäre schlecht fürs Image. Vergessen Sie's!«
Damit ist sie draußen.
Nina läßt sich auf den Bürostuhl sinken. Sie liest den Text, dann druckt sie ihn aus. Sie kann kaum glauben, was sie eben erlebt hat. Frauenconnection? Will sie damit Nina Wessel helfen? Oder will sie damit Sven eins auswischen?
Als sie wieder auf die Uhr schaut, ist es bereits nach sechs. Sie ist jetzt zwar auf wundersame Weise für morgen gewappnet, aber noch immer nicht für heute abend. Wo kriegt sie diese verfluchten 280 Mark her?
Die Augen brennen, das Kratzen im Hals wird stärker. Morgen ist der 29. Bald ist das Jahr rum. Hoffentlich wird das neue besser.
Nina legt die vier Seiten in ihre Tasche und geht. Draußen ist es dunkel und feuchtkalt. Nina fröstelt und hält ihre Jacke mit einer Hand am Kragen zu. Die Kälte kriecht überall herein. Es schüttelt sie, vielleicht wird sie wirklich krank. Sie fingert in ihrer Tasche nach ihrem Autoschlüssel und sucht dann mit klammen Fingern das Türschloß. Warum kann es nicht richtig kalt sein, mit Schnee und Frost und klarem Sternenhimmel? Nina setzt sich ins Auto, will starten. Rrr, rrr, rrr, der Motor orgelt. Das hat sie befürchtet, die Batterie gibt auf. Oder sind es die Zündkerzen? Sie hat weder Geld für eine neue Batterie noch für Zündkerzen. Noch nicht einmal für die Pension. Bloß nicht zuviel Gas, sonst säuft er auch noch ab. »Liebes Auto«, flötet sie und streichelt das Lenkrad, »laß mich jetzt bitte nicht im Stich. Sei lieb, bitte, nur jetzt! Nur heute, das eine Mal!« Morgen ist morgen, denkt sie dabei und dreht den Schlüssel noch einmal herum. Rrr, rrr!
Eine Hand klopft an ihre Scheibe. Nina erschrickt. Da erkennt sie das Gesicht, es ist Birgit.
»Sollen wir dich anschieben?«
Nina öffnet die Tür. »Wir?« Erst jetzt entdeckt sie eine dunkle Person neben Birgit.
Birgit schiebt ihren Begleiter vor. »Das ist Tom, mein Sohn. Er hat mich abgeholt, weil wir zusammen essen gehen wollten!«
Nina schätzt Tom auf Mitte Zwanzig. Er beugt sich zu ihr in den Wagen, ein unscheinbares, blasses Gesicht mit braunen, lockigen Haaren. »Tag«, sagt er ernst, »wir haben ja schon miteinander telefoniert!«
Nina nickt ihm zu.
»Leg mal den zweiten Gang ein, schalt die Zündung ein, bleib mit dem Fuß auf der Kupplung, und laß sie erst kommen, wenn wir genug Fahrt haben, okay?« Ohne viel Umschweife bugsieren Birgit und Tom sie aus der Parklücke heraus und schieben sie dann im Laufschritt über den Parkplatz. »Jetzt!« schreit Tom von hinten. Nina läßt die Kupplung kommen, der Wagen hüpft dreimal und bleibt dann stehen.
»Oh, nein!« Zornig haut Nina mit der Faust auf das Lenkrad. »Ich hab's versaut!«
Tom kommt vor. »Wir probieren es noch mal!«
Beim zweiten Anlauf klappt es. Der Wagen läuft, Nina will anhalten, um sich zu bedanken.
»Fahr zu, fahr zu«, Tom winkt heftig ab, »die Batterie muß sich erst aufladen.«
»Oder willst du mit uns essen gehen?« hört sie Birgit schwach aus der Ferne rufen, aber das kann sie nun gut übergehen, indem sie es einfach nicht gehört hat. Nina winkt einen Gruß aus dem offenen Fenster, hupt kurz und fährt zu. Sie kann mit niemandem essen gehen, schon gar nicht mit Tom und Birgit. Den beiden hätte sie ja zumindest ein Getränk zahlen müssen. Sie wird jetzt direkt in ihre Pension fahren und den Zahltag auf morgen
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