Die Lüge im Bett
nicht, was ich diesem Vorsitzenden morgen sagen soll, wenn er anruft und wissen will, warum das Interview nicht gesendet wurde.« Nina holt tief Luft.
»Sag ihm einfach, weil er kompletten Mist geredet hat! So war's ja schließlich auch!«
Elke erteilt ihr die Absolution. Nicht sie war zu blöd, sondern ihr Interviewpartner. Wie nett von ihr. Eine wahre Freundin.
»Was ist. Kommst du jetzt mit?«
Nina schüttelt langsam den Kopf. »Meine Heizung ist heute nacht ausgefallen, ich muß mich darum kümmern, sonst liege ich morgen flach!« Zur Bekräftigung zieht sie die Nase hoch und greift nach einer Packung mit Papiertaschentüchern.
Elke klopft ihr leicht auf den Rücken. »In Ordnung. Wir trinken eines auf dich mit!«
»Laß den Kopf nicht hängen«, versucht Sarah sie noch aufzumuntern und schneidet eine Grimasse.
Dann ist Nina allein. Sie denkt nach. 280 Mark für die Miete, wo kann sie die jetzt so schnell auftreiben? Soll sie ihre Bank anrufen und sagen, daß sie jetzt noch in Windeseile zu einem Gespräch erscheint? Vielleicht räumt ihr die Bank ja einen Kredit ein, dann wäre sie wieder flüssig. Und außerdem - sie arbeitet ja! Ihr Honorar kommt, wenn auch stark verzögert und im Moment etwas spärlich, aber es kommt! Sie ist ja kein Sozialfall!
Sie hört, wie die Tür langsam aufgeht, und blickt hoch, aber wer immer es auch war, er war schneller. Blitzschnell ist die Tür bis auf einen kleinen Spalt wieder zugezogen. Anscheinend hat dieser Jemand nicht damit gerechnet, daß einer um diese Uhrzeit noch in der Redaktion sitzt. Sie könnte jetzt schnell aufstehen und auf dem Gang nachschauen, aber sie hat keine Lust dazu. Sie läßt den Kopf wieder sinken, dann tut es ihr doch leid. Sie hätte nachschauen sollen. War es Sven? Wollte er sich einen Kaffee holen und traute sich dann nicht? Oder Alissa? Ist sie noch im Haus? Ein Einbrecher, der ihre Schreibtischschublade nach Geld durchwühlen wollte? Fast muß sie lachen.
Aber nur fast, denn ihr fallen die 280 Mark wieder ein.
Das ist doch kein Vermögen, sagt sie sich, das wirst du doch irgendwo auftreiben können! Dein Body hat 200 Mark mehr gekostet, na bitte!
Sie sitzt und denkt.
Nina, die Versagerin!
Nina, neunundzwanzig Jahre alt, ohne Perspektive.
Dann hört sie Schritte auf dem Gang. Diesmal springt Nina auf und stellt sich hinter den Schrank. Die Tür wird aufgeschoben. Nicht forsch aufgemacht, wie das die Kollegen normalerweise tun, sondern vorsichtig aufgeschoben. Nina hält die Luft an. Sie hört zögernde Schritte. Ein Mann? Oder klingt es nicht doch wie ein leichter Frauenschritt? Sie wartet und lauscht. Ein surrendes Geräusch, ein Computer bootet hoch. Jetzt kann sie es wagen, der Eindringling muß ihr zwangsläufig den Rücken zudrehen. Sie linst behutsam am Schrank vorbei. Ein schlanker, schmaler Rücken, blondes langes Haar.
Nadine! An ihrem Computer! Nina steht wie gebannt. Nadine zieht sich den Bürostuhl heran, schiebt eine Diskette ein und kopiert. Kopiert sie etwas runter oder rauf? Was hat die stellvertretende Chefredakteurin an ihrem Computer zu suchen? Was macht das für einen Sinn?
Ninas Herz schlägt bis zum Hals, aber trotzdem verläßt sie ihre Deckung und geht langsam auf Nadine zu. Als sie hinter ihr steht, fährt Nadine herum. Sie muß ihre Anwesenheit gespürt haben. Sie schauen sich kurz schweigend an, dann zeigt Nina auf den Bildschirm. »Hat das irgendeine Bedeutung?«
Nadine wirkt kein bißchen ertappt, im Gegenteil. Nach der ersten Schrecksekunde bekommt ihr Gesicht einen erleichterten Ausdruck.
»Haben Sie mich erschreckt. Wo haben Sie denn gesteckt?«
Nina deutet mit dem Daumen über ihre Schulter zum Schrank.
»Im Schrank?« Nadine lacht und wirft ihre Haare zurück.
»Nein, dahinter!« erklärt Nina mürrisch und versucht, auf dem Bildschirm etwas zu erkennen. »Was fummeln Sie eigentlich da herum? Das ist mein Computer!«
»Soso!« Nadine deutet auf den Bildschirm. »Ja, schauen Sie nur genau hin!«
Nina geht näher heran. Es ist ganz eindeutig eine Zitatsammlung, chronologisch aufgelistet mit Datum, Ortsangabe und Anlaß. Nina drückt die Pfeiltaste nach unten und überfliegt den Text. Es folgen ausformulierte Fragen und dazu in Klammern gesetzte Stichworte. Danach zwei, drei Sätze zum Hintergrund. Insgesamt vier Seiten.
Nina blickt auf: »Was soll das?«
Nadine ist aufgestanden, nimmt ihre Diskette aus dem Turm. »Nun, unser spezieller Freund hat vor, Sie morgen unvorbereitet auf einen
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