Die Lüge im Bett
ihr wieder ihre Pensionsmiete ein, und ihr Herz schlägt schneller. Sie braucht jetzt Aufträge, denn sie kann sich nicht auch noch vor Birgit blamieren, indem sie die Miete nicht bezahlen kann. Morgen pack ich's an, sagt sie sich und wiegt sich mit einem frisch entfachten kleinen Funken Zuversicht in den Schlaf.
Verschnupft sitzt Nina am nächsten Tag in der Morgenkonferenz. Sie war mit einem Kratzen im Hals und einer völlig verstopften Nase aufgewacht. Im Zimmer war es kalt, ja eisig. Fröstelnd ist sie unter der Decke hervorgekrochen und zum Heizkörper gelaufen. Kalt. Auch das Badezimmer war eisig.
Nina verzichtete auf die Dusche, zog sich schnell an und ging dann auf die Suche nach Irene Roller. Die versprach, sich darum zu kümmern, und bat bei der Gelegenheit um die Miete der ersten Woche. Sieben mal vierzig, 280 Mark. Nina hat versprochen, das Geld am Abend vorbeizubringen. Also muß sie noch zur Bank. Oder im schlimmsten Fall zu ihrer Mutter.
Sven gibt sich gut aufgelegt, so als könne kein Weiberkriegsrat dieser Welt ihn ärgern oder verunsichern. Er schiebt Nina eine Einladung zu. »Die Mittelstandsvereinigung tagt heute und morgen. Ich hätte gern einen Beitrag über ihre Haltung zu den jüngsten Vorschlägen der Bundesregierung.«
Nina starrt auf das Papier. Die Tagesordnung sieht nichts dergleichen vor. Kein einziger Punkt bezieht sich auf dieses oder ein anderes aktuelles Thema.
Sie hat in der letzten Zeit vor lauter Liebeskummer kaum Nachrichten gehört. Geschweige denn Zeitung gelesen. Außerdem, muß sie eingestehen, ist Politik auch nicht ganz ihr Fach. Woher soll sie jetzt wissen, was Sven will?
Er will sie aufs Kreuz legen, das ist ihr klar. Er will sie bloßstellen. Er wird ihr jetzt täglich solche Themen auf den Tisch legen. Er will ihr die Arbeit so vermiesen, daß sie freiwillig geht.
Aber in Nina wächst der Zorn und auch der Kampfgeist. Sie läuft zum Archiv, um sich schnell ein paar Informationen zu beschaffen. Als sie mit einem Packen Material zurückkehrt, sieht sie, wie Alissa aus Svens Zimmer kommt. Etwas an ihrem Gesichtsausdruck gefällt ihr nicht. Es ist ein entschlossenes, kaltes Lächeln. Und es ändert sich sofort, als sie Nina entdeckt.
»Ach, hallooo«, sagt sie freundlich.
Nina schaut ihr direkt ins Gesicht: »Hast du deinen Entschluß geändert, oder warum bist du noch hier?«
»Entschluß?« wiederholt Alissa fragend, obwohl sie genau weiß, was Nina meint. In dem Augenblick wird Nina klar, daß Alissa gelogen hat. Es gab keine Rothaarige bei der Karnevalssitzung. Und Alissa wußte gestern auch ganz genau, daß Sven und Nina damals ein Paar waren. Sie wollte Nina einfach nur quälen, sie an sich selbst zweifeln lassen. Sie spielt ein Spiel mit ihr noch unbekannten Größen.
»Du wolltest doch nicht wiederkommen?« erinnert Nina sie an ihre gestrige Aussage.
»Ja?« Alissa zuckt die Schultern. »Sven hat mich angerufen und mir so gute Konditionen geboten, daß ich nicht nein sagen konnte!«
Soll sie das jetzt glauben?
Als sie mit ihrem Kameramann und dem Assistenten loszieht, ist es ein Sprung ins kalte Wasser. Aber sie hofft, daß ihr der Vorsitzende die richtigen Antworten auf die falschen Fragen geben wird, denn schließlich liegt ein aussagekräftiges Statement auch in seinem Interesse.
Ihr Beitrag wird nicht gesendet. Zu flach, keine erkennbare Aussage, am Wesentlichen vorbei. Das ist Nina noch nie passiert.
»Mach dir nichts draus, war eben nicht dein Thema«, versucht Sarah sie zu trösten, aber Nina ist vor allem sauer auf sich selbst. Nicht dein Thema gibt es bei einem Journalisten nicht. Man kann alles zu seinem Thema machen, hört sie in ihrem Innersten den Lokalchef der Tageszeitung sagen, bei der sie volontiert hat. Wenn man Zeit zur Recherche hat. Die hatte ich nicht! Aber ein Journalist hat über alles informiert zu sein, was aktuell in Politik und Wirtschaft läuft, sagt ihr Gewissen.
Sie vergräbt ihren Kopf in ihren Armen und denkt nach.
»Kommst du mit? Wir gehen noch auf ein Kölsch!« Nina blickt auf, ihre Kolleginnen packen gerade ihre Sachen zusammen. Sie schaut auf ihre Armbanduhr. Fünf Uhr.
»Natürlich auch was essen«, fügt Elke hinzu und klopft sich grinsend auf den Bauch.
Spontan will Nina ja sagen, da fällt ihr ein, daß sie heute noch die Miete bezahlen muß. Sie hat gar kein Geld!
»Ich würde gern, aber ich kann nicht!«
»Jetzt hör aber auf! Trübsal blasen macht den Beitrag auch nicht besser!«
»Ich weiß gar
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