Die Lüge im Bett
Sven. Seine Stimme klingt beherrscht, aber scharf.
Bevor Nina antworten kann, ist die Leitung bereits wieder tot. Nina legt langsam auf. Ihre Situation ist trostlos. Es ist keiner da, der die Sache für sie in die Hand nehmen wird, das Bankkonto auffüllt, Sven eins in die Fresse haut und Gabriel zum Mond befördert. Es ist keiner da, der sie in die Arme schließt und ihr sagt, daß alles wieder gut wird. Niemand in Sicht, hinter dessen breitem Rücken sie sich verstecken könnte. Was sie selbst nicht tut, wird nicht erledigt. Wenn sie den Mut verliert, geht sie unter.
Eine Hand legt sich auf ihre Schulter, sie blickt auf. »Entschuldigen Sie, ich habe nicht gewußt, was hier vor sich geht!«
Es ist die Neue, die neben Ninas Stuhl steht. »Mein Name ist Alissa Sauter, aber sie brauchen ihn sich nicht zu merken, ich komme wahrscheinlich nicht mehr her.«
Nina schüttelt entschieden den Kopf. »Das ist nicht Ihre Schuld. Was hat Sven Ihnen denn erzählt?«
»Er hat mich angerufen und mich gefragt, ob mich der Job hier reizen würde.«
»Sie angerufen?« Nina runzelt die Stirn. »Woher kannten Sie sich denn?«
»Vom Pressetisch einer Karnevalssitzung. Er saß mir schräg gegenüber und hatte offensichtlich Krach mit seiner Freundin.«
»Mit seiner Freundin?« wiederholt Nina ungläubig. »Mit welcher Freundin!?!«
»So eine schmale Rothaarige. Sie hat ihn an dem Abend abblitzen lassen und ist gegangen!«
Ihr erster Impuls ist »geschieht ihm recht«, dann fragt Nina zögernd nach: »Wann war denn das?«
Jetzt wird auch Elke aufmerksam.
Und auch Sarah hört interessiert zu. »Nun, im Februar. Dieses Jahr!«
Gott, sie weiß überhaupt nicht, daß ich seine Freundin bin - das heißt, war, korrigiert sie sich selbst.
Elke schiebt Alissa einen Stuhl hin.
»Das interessiert uns jetzt aber«, sagt sie und setzt sich auf Ninas Schreibtischkante. »Wer war denn diese rothaarige Dame?«
Alissa setzt sich langsam: »Wieso, stimmt was nicht?«
Nina holt tief Luft: »Ich war zu diesem Zeitpunkt eigentlich mit ihm zusammen. Und er war auf jedes männliche Wesen eifersüchtig, das sich mir auf fünf Meter näherte. Er selbst hat es offensichtlich nicht so genau genommen ...« Nina verstummt, denn plötzlich muß sie auch an Aids denken und bekommt einen Schreck. Wer weiß, was er nebenher so alles getrieben hat. »Hat er diese Frau denn wirklich als seine Freundin ausgegeben?«
Alissa nickt: »Sie hat beim Weggehen die Wohnungsschlüssel verlangt. Und er sagte nachher, seine Freundin habe anscheinend keinen besonders guten Tag erwischt!«
»Und das war wirklich Sven?« fragt Nina mißtrauisch. Es hört sich einfach zu abenteuerlich an.
»Sonst hätte er mich ja nicht anrufen können«, entgegnet Alissa. Das klingt einleuchtend.
»Wollen wir gleich rauf zu ihm?« fragt Elke angriffslustig, aber Nina winkt ab.
»Ich wüßte gern, wer das war.«
Alissa schüttelt den Kopf. Ihre dunklen Haare fliegen locker, ihr Teint wirkt wie aus Porzellan. »Da kann ich wirklich nicht helfen! Keine Ahnung!«
Nina sagt nichts darauf. Ihr ist eingefallen, wo sie an Karneval war: Ski fahren mit Karin. Da war ihr Bett natürlich frei. Wer weiß, wo er im Anschluß an die Sitzung mit Alissa noch gelandet ist? Und, überhaupt, warum erzählt sie das alles?
Fünf Minuten später verabschiedet sich Alissa und geht.
»Sie erinnert mich an dich.« Elke räumt ihren Schreibtisch auf und schaut dabei zu Nina hinüber. »Als du zu uns in die Redaktion gekommen bist, warst du genauso. So ein bißchen naiv, eben vom Land, entschuldige. Aber ich denke, Sven braucht kleine Mädchen, die zu ihm aufschauen. Du bist ihm zu schnell gewachsen. Jetzt versucht er dich wieder kleinzukriegen. Und wenn das nicht klappt, zieht er sich wahrscheinlich die Nächste!«
Nina schweigt. So also haben sie sie gesehen, als sie vor zwei Jahren kam. Der naive Zögling vom Ressortchef, das Betthäschen. Wahrscheinlich ist sie das in den Augen der ganzen Firma. Vielleicht sollte sie sich mal beim Bayerischen Rundfunk bewerben, bei Pro 7, MTV Europe, RTL 2, TM3 oder was es in München sonst noch so gibt.
Der Abend ist trostlos und die Nacht auch. Der Brief der Bank drückt sie mehr als Svens Seitensprünge, obwohl sie sich vornimmt, einen Aidstest machen zu lassen. Sie liegt im Bett und lauscht den Geräuschen, die dumpf aus dem Stall herüberkommen. Sie kuschelt sich tief in ihre warme Decke. Bald ist Silvester. Wo soll sie feiern? Und mit wem? Und dann fällt
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