Die Lüge im Bett
verschieben.
Ein rotes Licht auf ihrem Armaturenbrett beginnt zu leuchten. Die Batterie etwa? Nein, die Benzinanzeige. Wird sie noch bis zur Pension kommen? Hin schon, aber morgen früh nicht zurück! Was soll sie tun? Sie fischt nach ihrem Geldbeutel. Fünfzig Mark, ihre eiserne Reserve für Notfälle. Das hier ist ein Notfall, beschließt sie. Zwanzig Mark tanken, dreißig Mark für den nächsten Notfall!
Auf dem Hof läuft sie Irene Roller direkt in die Arme. Mit Bob macht die Reitstallchefin den letzten Rundgang, prüft, ob auch alle Türen gut verschlossen sind. Unter der hellen Lampe am Stalleingang bleibt Irene stehen, wartet auf Nina, die schnell ihr Auto abschließt und dann auf sie zugeht. Bob wedelt freundlich, und Nina überlegt während der wenigen Schritte krampfhaft, wie sie den Bogen zu der fehlenden Miete schlagen könnte. »Es ist schön bei Ihnen«, beginnt sie und reicht ihrer Wirtin die Hand, »ich bin sehr froh, daß ich da sein kann!«
Irene Roller erwidert den Händedruck, mit der Linken streichelt sie weiter Bobs breiten Hinterkopf. Sie wirkt männlich herb mit ihrem kurzen Haarschnitt, den weißen Strähnen in den braunen Haaren, den dicken Stiefeln und dem langen Steppmantel. »Die Heizung funktioniert wieder«, sagt sie mit einem leicht berlinerischen Akzent, »tut mir leid wegen der kalten Dusche heute morgen!« Sie betrachtet Nina kurz und prüfend, dann huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. »Wahrscheinlich haben Sie überhaupt nicht geduscht!«
Nina schüttelt lachend den Kopf, würde es Irene im umgekehrten Fall jedoch zutrauen.
»Das habe ich mir gedacht. Sie können es jetzt in aller Ruhe nachholen. Ich schenke Ihnen diese Nacht, habe ich mir überlegt. Als Wiedergutmachung sozusagen. Es wäre aber trotzdem schön, wenn Sie dann morgen die Wochenmiete hätten.« Ihr Blick ruht noch immer auf Ninas Gesicht, und Nina fallen ihre wieselflinken, klaren Augen auf, aber auch die feinen Linien auf ihrer Haut. Sie muß älter sein, als sie wirkt. »Wir brauchen das Geld«, sie nickt wie zur eigenen Bestätigung, »leider«, fügt sie noch hinzu, bevor sie sich zum Gehen wendet.
»Vielen Dank«, ruft Nina ihr noch hinterher und steigt zu ihrem Zimmer hinauf. Die Geschichte dieser Frau würde sie auch interessieren, es ist unter Garantie keine alltägliche.
Ihr Kühlschrank ist fast leer, und Nina legt sich hungrig ins Bett. Mit der Hand fährt sie an ihrer Bauchkuhle entlang. Um ihr Gewicht braucht sie sich in der momentanen Lage wirklich keine Sorgen zu machen, sie hat mehr abgenommen, als sie eigentlich wollte. Sie denkt an Sarah und Elke beim Kölsch und Birgit und Tom vor irgendeinem üppigen Essen in irgendeinem gemütlichen Restaurant. Ihr Magen knurrt. Wenn sie zaubern könnte, dann würde sie sich jetzt eine riesige Salamipizza bestellen mit doppelt Käse. Und dann ein Tiramisu zum Hineinlegen!
Als Nina am nächsten Morgen in der Redaktion sitzt, kann sie sich bei Svens Eintreten ein siegessicheres Grinsen kaum verkneifen. Er macht sich seinen obligatorischen süßen Kaffee, dann setzt er sich auf die Kante eines Schreibtisches und bespricht die heutigen Themen.
Mitten in seine Ansprache platzt Alissa: »Entschuldigt die Verspätung«, sagt sie, »ich war noch im Personalbüro!«
Nina und Elke schauen sich an. Aha, dann ist ihre Mitarbeit jetzt also amtlich. Nina ist gespannt, was kommt.
»Nina, da du dich in der Vergangenheit über deine Aufträge beklagt hast, habe ich heute zum Ausgleich für dich ein wahres Zuckerchen, ein gelungenes Fressen für jeden Journalisten!«
Nina nickt ihm gelassen zu. »Das freut mich«, sagt sie, und Sven ist anzusehen, welchen Spaß es ihm schon jetzt bereitet, daß Nina sich gleich überhaupt nicht mehr freuen wird.
»Die SPD hält ihre Silvesterversammlung in Düsseldorf ab. Dabei dürfte vor allem eines interessant sein. Du kannst es dir ja denken!«
»Klar«, sie zuckt die Achseln, »das Verhältnis Lafontaines zu Schröder. Läßt er ihn ans Ruder oder nicht.« Und sie zählt einige Äußerungen auf, die Lafontaine in der Vergangenheit über Schröder getan hat und Schröder über Lafontaine. Und schließlich erzählt sie unter Berufung auf die jüngsten Umfragen, daß Oskar Lafontaine Kohls Lieblingsgegner sei, da die Zeichen bei diesem Vergleichskampf eher für Kohl stünden, wohingegen Schröder eindeutig ein stärkerer Kontrahent wäre.
»Das ist wahrlich ein Zuckerchen«, schließt sie begeistert ihren Vortrag, »wie
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