Die Lüge im Bett
nett von dir, Sven!«
Sven schweigt.
Anscheinend hat er Mühe, sich so schnell mit der veränderten Situation abzufinden.
Alissa ist da cleverer. »Frag auch nach dem Wahlprogramm«, wirft sie ein.
»Wieso«, kontert Nina, »das will die SPD doch erst in Leipzig auf ihrem Wahlparteitag beschließen! Haben wir schon April '98?«
Alissa will sich aber nicht so schnell geschlagen geben. »Aber vorfühlen kannst du ja schon einmal«, sagt sie lahm.
»Was willst du vorfühlen, wenn bis jetzt noch nicht einmal die Eckwerte des Regierungsprogramms feststehen?«
Alissa räuspert sich, und Sven sagt, um überhaupt etwas zu sagen: »Na denn, hier sind die Unterlagen dazu!« Er legt sie neben sich auf den Schreibtisch.
»Danke«, sagt Nina artig, und ihr Blick fällt auf Alissa, und plötzlich weiß sie, wer dahintersteckt. Ganz offensichtlich ist Alissa die treibende Kraft. Und sicherlich war es auch ihre Idee, Nina mit politischen und wirtschaftlichen Themen schachmatt zu setzen.
Aber du kennst mich nicht, denkt Nina und beschließt, auf dem Weg nach Düsseldorf sämtliche Nachrichtenmagazine zu kaufen, um sich fit zu machen. »Bis wann willst du den Beitrag haben, und wie lang soll er sein?«
»Drei Minuten, bis morgen abend!«
»Und wo muß ich mich akkreditieren?«
Sven tippt auf die Einladung. »Steht alles da drin!«
Als er draußen ist, klopft Elke Nina mit einem Seitenblick zu Alissa auf die Schulter: »Dem hast du's aber gegeben! Recht so!«
Nina schlägt das Herz bis zum Hals, denn erst jetzt wird ihr so richtig klar, was da auf sie zukommt. Pressegerangel konnte sie noch nie leiden, jeder kämpft sich vor, jeder Kameramann will einen noch besseren Standort haben, wie ein Fackelträger bei Olympia muß sie mit ihrem Mikrophon ans Ziel kommen, ein Reporter gegen alle. Das ist nicht ihr Ding. Sie liebt Features, Reportagen, Berichte, für die sie in Ruhe recherchieren kann, die in ihren Augen einen Sinn haben. Beiträge mit sozialkritischen Themen oder Beiträge über besondere Leistungen, Filme eben, die Herz und Verstand ansprechen. Aber keine aufgeblähten Wortphrasen von Politikern, die morgen nicht mehr wahrhaben wollen, was sie gestern noch gesagt haben.
Elke legt ihr im Vorbeigehen einen Zettel auf den Tisch. Nina dreht ihn um und liest: »Nimm Walodja als Kameramann, der kennt sich aus, der hilft dir!«
Jetzt ist es schon soweit, daß man hier nicht mehr offen miteinander reden kann, denkt Nina und schaut zu, wie Alissa den hinteren Schreibtisch, der ihnen bisher als Ablage für Bücher, Manuskripte und Taschen diente, entrümpelt. »Kein Problem, der ist gut genug für mich«, sagt sie zu Nina, die seufzend den Blick abwendet.
Das kann ja heiter werden.
Eine Alissa im Nacken und deren willfähriges Spielzeug als Vorgesetzter. Alissa muß ganz schnell erkannt haben, daß Sven durch seine unausgegorenen Rachegelüste Wachs in ihren Händen ist.
Eigentlich gibt's dagegen nichts einzuwenden, denkt Nina und steht auf. Die Frau kennt ihren Weg!
»Ich bin mal schnell in der Dispo«, sagt sie zu den anderen und geht hinaus. Sie hat Glück, Walodja ist frei, und sie findet ihn in der Werkstatt.
Er ist klein und bullig und muß schon deshalb besonders zäh sein, weil er als Kameramann in der zweiten Reihe nur Rücken sehen kann. Der Mann weiß, wie man nach vorn kommt. Nina spricht ihn an und erklärt ihre Situation, vor allem, daß sie auf dem politischen Parkett unerfahren ist.
»Warum tust du dir das dann an? Politik machen sollte nur, wer's auch machen kann!« Er schraubt an einer Lampe herum und würdigt sie kaum eines Blickes.
»Jemand will, daß ich mich bis auf die Knochen blamiere!«
Jetzt schaut er doch. Sein Gesicht muß eine Boxerkarriere hinter sich haben. Und zwar keine siegreiche. »Mit mir blamiert man sich nicht«, sagt er mit tiefer Stimme, und Nina glaubt ihm jedes Wort. »Ich bin die Garantie für gute Bilder!«
»Ja, das ist toll, aber ich muß auch ein gutes Interview liefern!«
Er wischt sich die Nase am Ärmel ab und dreht sich wieder zu seiner Lampe. »Wenn ich dir sage, ich bin die Garantie, dann bin ich die Garantie. Verlaß dich drauf!« Er schraubt wieder, dann hält er nochmals kurz inne. »Wann soll's losgehen?«
»Heute abend um sieben!«
Er schüttelt entschieden den Kopf: »Unmöglich. Ich bin seit heute früh im Dienst! Da hat die Gewerkschaft was dagegen! Und ich auch!«
Nina fühlt sich auf einer abschüssigen Bahn: »Ich ... es geht aber nicht
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