Die Lüge im Bett
mit und geht damit zurück zur Wohnung. Von jetzt an gibt es täglich vor dem Zubettgehen den Schlummertrunk a la Nina, bei dem sie nur aufpassen muß, daß die Gläser nicht verwechselt werden.
Als sie in die Wohnung kommt, liest Nic gerade ein Drehbuch, das er zugeschickt bekommen hat, und Gabriel sortiert Wäsche für die Waschmaschine. »Hast du auch was?« fragt er.
»Bunt? 60 Grad?«
»Nein, danke«, antwortet Nina, »noch nicht.« Dann stellt sie die Flaschen zu den anderen und geht zu ihm. »Was machst du eigentlich beruflich?«
»Gute Frage«, sagt Gabriel und gibt das Waschmittel in die Maschine. »Ich war auf einer Schauspielschule, hatte dann ein Engagement bei einem kleinen Theater, aber es war mir mit der Zeit alles viel zu eng dort. Dann habe ich eine kleine Rolle bei einer Serie gespielt, eine Nebenrolle bei >Tatort<, und jetzt wurde uns eben ein Drehbuch zugeschickt. Nic prüft, ob der Stoff etwas für mich ist!«
Kann er für mich auch gleich gucken, denkt Nina. »Klingt doch ganz interessant.«
»Ja, der große Durchbruch war aber noch nicht dabei!«
»Wie alt bist du denn?«
»Sechsundzwanzig. Es wird Zeit!«
Nina muß lachen. »Meine Güte, da hast du doch noch Zeit! Ich werde dieses Jahr dreißig. Was soll ich sagen?!«
Er schaut sie mit einem so bedauernden Blick an, daß sich Nina wie kurz vor der Pensionierung fühlt.
Oder sieht sie tatsächlich schon so alt aus?
Sie verdrückt sich, geht auf die Toilette und studiert ihr Gesicht im Spiegel. Quatsch! Ganz so bemitleidenswert ist sie nun doch noch nicht. Nic ist immerhin schon vierunddreißig. Was soll der erst sagen!
Sie sucht nach der Handynummer von Rosa Heckschneider, fragt Nic, ob sie kurz telefonieren dürfte, erntet ein »Jederzeit« und hinterläßt auf der Mobilbox der alten Dame ihre jetzige Telefonnummer.
Jetzt kann sie nur noch abwarten.
Diesmal essen sie abends zu Hause. Nic hat Weinblätter, Tsatsiki und eingelegte Bohnen beim Griechen gekauft und stellt alles mit Käse, Salami und Stangenbrot auf den Tisch.
Ihre Gesprächsthemen scheinen unerschöpflich, und als Nic irgendwann gähnt, schaut Nina überrascht auf die Uhr. Fast Mitternacht, das hätte sie nicht gedacht. Nic scheint so müde - ob sie trotzdem?
Sie beobachtet Gabriel. Er wirkt noch frisch. Zu frisch. Sie steht auf: »So, und jetzt den Schlummertrunk a la Nina!«
»Schlummertrunk?« Gabriel schaut erstaunt zu Nic. »Ich bin überhaupt noch nicht müde!«
Gleich wirst du es sein, denkt Nina.
»Was gibt's denn?« fragt Nic.
»Laßt euch überraschen!«
»Und wenn ich's nicht mag?« Gabriel zieht eine Augenbraue hoch.
»Das gilt nicht«, sagt Nina.
Wenige Minuten später steht sie mit drei Gläsern Campari-Orange da. Dekoriert mit bunten Strohhalmen zum Umrühren.
»Okay, das lasse ich gelten«, sagt Gabriel und saugt an seinem gelben Halm.
Nic prostet ihr zu: »Auf deine Zukunft!«
»Danke, ich arbeite dran!« Nina lächelt ihm zu.
Als Nic sich endlich erhebt, um ins Bett zu gehen, wirkt auch Gabriel recht müde. Seine Augen glänzen glasig. »Ich glaube, ich geh gleich mit«, sagt er etwas schwerfällig.
»Na, dann gute Nacht«, Nina küßt die beiden schwesterlich auf die Wange.
In dieser Nacht bleibt alles ruhig.
Rosa Heckschneider meldet sich bereits am übernächsten Tag. Sie habe Ninas Anruf bekommen, und sie werde sich jetzt für Nina umhören. Sie melde sich wieder, sobald sie die Lage sondiert habe.
Es ist zehn Uhr morgens, und Nina wird der Tag lang. Geld und keine Zeit zu haben ist lästig, aber Zeit und kein Geld ist deprimierend. Was könnte sie jetzt alles Tolles anstellen, wenn ihr nicht schon die Eintrittskarten ins Kino oder ins Theater zu teuer waren Sie braucht schnellstens einen Job.
Nic setzt sich nach dem Frühstück wieder an das Drehbuch, und Gabriel fährt zu einem Casting. »Winzige Nebenrolle«, sagt er entschuldigend beim Hinausgehen, aber Nina ist eifersüchtig. Wenigstens hat er etwas, das er probieren kann. Eine Chance. Sie hat noch nichts.
Auch die Gewißheit, für die nächsten Stunden mit Nic allein in der Wohnung zu sein, hilft ihr nicht viel, denn eines hat sie schon begriffen: Wenn er sich in sein Arbeitszimmer zurückzieht, will er nicht gestört werden. Da ist jeder, der sich ungebeten sehen läßt, ein potentieller Selbstmörder.
Sie räumt die Küche auf.
Dann ruft sie ihre Mutter an und berichtet, wie gut es ihr geht, schließlich setzt sie sich mit der Süddeutschen in einen Sessel und geht
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