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Die Lüge im Bett

Die Lüge im Bett

Titel: Die Lüge im Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hauptmann
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den Stellenmarkt durch.
    Nichts. Eine Stunde später legt sie die Zeitung genervt weg. Es ist wie damals in Köln: Die Anzeigen, die sie interessant findet, setzen Abschlüsse und Berufserfahrung voraus, die sie nicht vorweisen kann. Sie wird einen anderen Weg gehen müssen.
    Nur welchen?
    Um einen klaren Kopf zu bekommen, entschließt sie sich zu einem Spaziergang. Sie schreibt Nic einen Zettel und läuft in Richtung Marienkirche. Das ist ein Anhaltspunkt für sie, damit kann sie in der fremden Stadt etwas anfangen. Aber es ist zu weit, und es ist kalt. Ein eisiger Wind fegt durch die Straßen, treibt vereinzelte Schneeflocken vor sich her. Und schon bald beginnt Nina zu frieren. Sie läuft schneller, aber nach etwa einer halben Stunde gibt sie auf. Blöde Idee, bei der Kälte draußen herumzulaufen. Nichts wie zurück, heim ins warme Wohnzimmer, ein Buch lesen. Ablenken von der rauhen Wirklichkeit. Am besten einen Liebesroman. Herz, Schmerz und Happy-End. Sie läuft und läuft und kennt sich auf einmal nicht mehr aus. War sie hier schon mal vorbeigekommen? Hat sie das schon mal gesehen?
    Jetzt geht das schon wieder los! Und niemand da, den sie fragen könnte. Wer geht bei so einem Mistwetter auch schon auf die Straße. Die Gehsteige sind wie leergefegt, selbst Autos fahren kaum welche herum.
    Die Straßen sind lang und alle so ähnlich, und auch die Häuser sehen mit einemmal alle gleich aus. Kein Geschäft in Sicht, in dem sie nachfragen könnte. Sie gibt sich noch eine Straße, dann wird sie an einer Haustür klingeln und fragen. Wenn Staubsaugervertreter das können und Heftchenverkäufer, dann wird sie das auch können. »Ich habe mal eine kleine Frage ...«, rums, Tür zu. So stellt Nina sich das vor, denn sie ist schüchtern, und in solchen Situationen wirkt sich das aus. Sie würde kein einziges Heftchen verkaufen und selbst staubsaugen. Von weitem ein beleuchtetes Eckhaus. O Ende aller Mühsal, ein Cafe! Sie fischt sofort in ihrer Manteltasche nach Kleingeld und zählt. Fünf Mark hat sie bar dabei. Das gibt einen Tee. Möglicherweise sogar mit Rum. Oder gleich einen Grog. Die letzten Meter springt sie fast, dann bleibt sie enttäuscht stehen.
    »Wir renovieren.«
    Das große Schild über dem Eingang vernichtet ihre Träume. Aber es sind Menschen drin, und wo Menschen sind, ist möglicherweise ein echter Münchner dabei, und wo ein Münchner ist, besteht vielleicht sogar die Chance, daß er sich in diesem Viertel auskennt.
    Sie versucht durch Klopfen auf sich aufmerksam zu machen. Endlich hebt einer beim Hämmern den Kopf, aber nur um abzuwinken und auf das Schild zu verweisen, das direkt vor ihren Augen hängt.
    Nina gibt nicht auf.
    Und tatsächlich - nach weiterem hartnäckigen Klopfen schließt einer der Männer auf: »Was ist denn?« fragt er, ärgerlich über so viel Aufdringlichkeit. »Wir haben geschlossen! Da steht's!« Er pocht mit seinem Knöchel vor Ninas Nase auf das Schild.
    Nina verkneift sich eine Bemerkung, sie fragt schlicht nach ihrer Straße.
    »Da kommt die Chefin, fragen's die!«
    Nina dreht sich um. Eine sportliche Frau kommt im Stechschritt auf sie zu, kurze Haare, schmal, sehr groß. »Ach, sind Sie schon da? Ich habe Sie so früh nicht erwartet, gehen wir am besten gleich rauf«, sagt sie und reicht der sprachlosen Nina die Hand.
    »Wie bitte?« fragt sie, nachdem sie sich wieder gesammelt hat.
    »Nun, oben sind einige Räume, die man bereits benutzen kann.« Sie muß offensichtlich über Ninas große Augen lachen.
    »Es sieht nicht überall so schlimm aus!« Sie geht an Nina vorbei hinein, unter einem Schmutzvorhang aus Plastik hindurch.
    »Kommen Sie!« fordert sie Nina nochmals auf. Nina marschiert wie auf Befehl hinterher, die Treppe hinauf in ein Büro. »Setzen Sie sich doch.« Die Frau setzt sich schwungvoll hinter einen gläsernen Schreibtisch und weist Nina den Stuhl davor an. »Nun«, sie schiebt einige Blätter auf ihrem Schreibtisch hin und her, »ich bin also Ruth Scherbling, aber das werden Sie sich schon gedacht haben, und Sie sind ...«, jetzt hat sie wohl die betreffenden Unterlagen gefunden, »wohl Barbara Krause.«
    »Ich kenn nur eine Hexe, die Barbara heißt«, antwortet Nina völlig unüberlegt. Ruth Scherbling lacht, dann stockt sie: »Wie, was, verstehe ich nicht. Eine Hexe? Ist das ein Witz?«
    »Nein, eine Geschichte: Die Hexe Barbara. Aber im Ernst, ich befürchte, Sie verwechseln mich!«
    »Wieso befürchten Sie das?«
    Graue Augen heften sich auf sie.

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