Die Lüge im Bett
Nina schätzt die Frau auf Mitte Vierzig. Ohne darüber nachzudenken, antwortet Nina:
»Weil es hier sicherlich um einen Job geht, und ich brauche einen Job!«
»Als Putzfrau?« Ruth Scherbling lacht, Nina zuckt die Achseln.
»Warum nicht? Putzfrauen verdienen mehr als manche Angestellte.« Zumindest mehr als freie Journalisten unter einem Exfreund als Chef, denkt sie dabei.
»Wer sind Sie dann, wenn nicht Barbara Krause?« will Ruth Scherbling wissen.
Nina klärt sie in drei Sätzen auf.
»Können Sie denn bedienen? An der Theke arbeiten? Kasse machen?«
»Wenn man so etwas lernen kann, werde ich's auch lernen können!«
Ruth Scherbling überlegt. »Sie gefallen mir, Sie haben Power. Aber hier brauche ich jemanden mit Erfahrung!«
Erfahrung! Schon wieder. Das hat sie in den Anzeigen schon deprimiert. »Na denn ...«, sagt Nina enttäuscht und will aufstehen.
»Halt«, bremst sie ihr Gegenüber, »ich habe noch ein anderes Geschäft, ein Bistro, zwei Straßen weiter. Seit zwei Monaten bieten wir dort einen Mittagstisch an und kommen mit der Arbeit kaum noch nach. Also, dort könnte ich jemanden wie Sie für den Service gebrauchen. Wenn Sie's probieren wollen?«
»Oh!« Warum nicht. Geld ist Geld. Hauptsache verdient, wie auch immer. »Ja, gern!«
Fünf Minuten später sind sie sich einig. Nina soll am nächsten Tag um elf Uhr zu einem Probelauf vorbeikommen. Stundenlohn achtzehn Mark plus Trinkgeld. Und das Beste: Es ist von Nics Haustür nur eine Straße entfernt.
Der Kältemarsch hat sich gelohnt, denkt Nina, als sie wieder draußen ist. Und der Umweg auch! Sie fühlt sich gut, denn jetzt spielt es nicht mehr die große Rolle, ob Rosa Heckschneider ihr morgen oder erst in vier Wochen einen Job vermitteln kann. Was kommen wird, wird kommen!
Que sera, sera.
Sie singt laut und falsch den ganzen Weg bis zu Nics Wohnung und hört erst auf, als ihr im dritten Stock die Luft ausgeht.
Auch an diesem Abend mixt sie ihren Schlummertrunk. Gabriel kocht zum Abendessen Spaghetti, reichlich al dente, die Sauce zaubert er aus zwei kleinen Plastiktüten. Den Käse schabt Nina von Hand darüber, Nic öffnet einen Rotwein. Gegen Mitternacht sind Nic und Nina rechtschaffen müde, nur Gabriel, aufgekratzt durch seinen Erfolg beim Casting - er hat die Rolle bekommen - ist noch munter.
Nina beobachtet ihn mißmutig. Nach dem dritten Witz, über den nur noch er lacht, kündigt Nina ihren Schlummertrunk an. Keiner wehrt sich, eine halbe Stunde später ist in der Wohnung Ruhe eingekehrt.
Beim Frühstück erzählt Nina von ihrem »Zwischenjob«. Am Abend hat sie es sich verkniffen, denn was ist schon eine Bedienung gegen einen aufstrebenden Schauspieler, aber jetzt schildert sie ihre gestrige Begegnung.
Nic ist völlig einverstanden. »Du fühlst dich auf alle Fälle wohler, wenn du Geld in der Tasche hast«, sagt er, und Nina fragt sich, woher er weiß, daß sie keines hat.
»Äußerst praktisch«, findet Gabriel, »dann kannst du uns die Gerichte gleich mitbringen. Das erspart uns die Kocherei!«
»Vielleicht kannst du ja was lernen«, lästert Nic und läßt im unklaren, wen von beiden er meint. Aber er schenkt Nina das Lächeln, von dem es ihr jedesmal aufs neue ganz heiß wird. Richtig. Liebe geht durch den Magen! Sie wird kochen lernen!
Das Bistro ist klein und hell, aber vollgestellt mit Tischen und Stühlen. Ganz offensichtlich versucht Ruth Scherbling herauszuholen, was geht. Und es scheint einiges zu gehen. Um elf sitzen schon die ersten Gäste da.
Nina geht an den Tresen und stellt sich vor. Eine junge Frau in ihrem Alter läuft bereits geschäftig hin und her, dann kommt sie zu ihr, reicht ihr die Hand.
»Ruth hat uns schon vorgewarnt. Ich bin Anna. Es ist ganz einfach. Es gibt täglich zwei Gerichte, eines davon vegetarisch. Also mußt du dir zur Abrechnung nur zwei Preise merken. Alles siehst du hier auf der Tafel, auch die Preise für die Getränke.«
Sie weist auf eine große Schultafel, die an einer Wand angebracht ist.
Das ist praktisch, denkt Nina, trotzdem hätte sie besser einen Rechner mitbringen sollen. Wie soll sie sich bloß merken können, wer was und wieviel ißt und trinkt?
»Hier ist die Kasse«, weist Anna sie weiter ein. »Du bist die Nummer 4. Unter dieser Nummer gibst du ein, was an jedem Tisch gegessen und getrunken wird. Die Abrechnung macht der Computer dann selbst.«
Die Aussicht, daß ein anderer für sie arbeitet, gefällt Nina. Aber dann wird es so turbulent, daß sie
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